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24.04.2018., 19 Uhr, Evangelische Kirche Veitsrodt „Die Reformation geht weiter“
Laukhard: „Unverschämt – im besten Sinn“ Predigtreihe Ex-EKD-Ratsvorsitzender Huber sprach in Veitsrodt
Von unserem Mitarbeiter Karl-Heinz Dahmer
Veitsrodt. Probleme müssen auf den Tisch, sagt Wolfgang Huber, der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), von der Kanzel in Veitsrodt herunter. Davon zu sprechen, dass die drei abrahamitischen Religionen (Christentum, Judentum, Islam) eins sind, nennt Huber naiv. Vor allem geht es ihm in dieser Passage seiner Laukhard-Predigt um das Auskommen mit Muslimen. „Wir müssen auf Klarheit und Nachbarschaft achten. Es gibt keine gute Nachbarschaft, wenn man Differenzen und Probleme verschweigt.“ Es gibt eine Reihe von Diskussionsansätzen, Huber sprach in seiner Rede in der kleinen Dorfkirche vor allem die Frauenrolle im Islam an.
„Eine Sternstunde“ nannte Axel Redmer den Auftritt des 75-Jährigen im Rahmen der Laukhard-Predigten, die er vor acht Jahren als Landrat ins Leben rief. Redmer ist Vorsitzender des Kulturvereins „Die Schnecke“, der zusammen mit der Kreisvolkshochschule, dem Kirchenkreis Obere Nahe und der Friedrich-Christian-Lauckhard-Gesellschaft diese Veranstaltungsreihe organisiert. Die Laukhard-Gesellschaft hat seit kurzem einen neuen Vorsitzenden, Dieter Lauckhardt löste Hans-Peter Brandt ab, beide waren in Veitsrodt zugegen.
Seit 2011 wird jedes Jahr ein Prominenter zur Predigt auf der Veitsrodter Kanzel eingeladen, die „Ahnengalerie“ ist mit Leuten wie Erhard Eppler, Eugen Drewermann und Rupert Neudeck gefüllt. Sieben sprachen bisher auf der Kanzel über Politik, Gesellschaft und Religion, jetzt, mit Huber, kam der achte. Der Mann war Bischof und EKD-Ratvorsitzender, Ehrendoktor und Kulturpreisträger, und er wurde als Kandidat fürs Amt des Bundespräsidenten gehandelt.
Für Uwe Kreutz, den Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Veitsrodt-Herborn, ist Huber vor allem einer mit Charisma und einer außergewöhnlichen Gabe zu reden. Er hatte ihn vor Jahrzehnten als Student kennengelernt. Huber war an der Universität in Heidelberg sein Professor, er zog „die Massen“ an, sagt Kreutz. Und wenn man den Hunsrück-Pfarrer in seiner Kirchenbank erlebt hat, muss man glauben, er ist Hubers größter Anhänger. Kreutz schien an Hubers Lippen zu hängen, applaudierte, bevor andere applaudieren konnten, stand am Ende der Predigt als Erster voll Elan und in die Hände klatschend auf. Huber selbst hat eine entfernte Beziehung zu Idar-Oberstein: Seine Großmutter wohnte in der Austraße, er besuchte sie früher jedes Jahr im Herbst. „Es gab immer Pflaumenkuchen, niemand konnte ihn so gut machen wie sie“, erinnert er sich. Und was Huber offenbar am meisten beeindruckte: Ihr genauer Blick fürs Arrangement auf dem Kuchen. „Die erste Pflaume steckte exakt in der Mitte.“
Er selbst ist in Straßburg, Freiburg und im Schwarzwald aufgewachsen. Den Veitsrodter Pfarrer aus den Jahren 1804 bis 1811 lernte er erst kennen, als er die Einladung zur Laukhard-Predigt erhielt. Der Magister sei „durch und durch ein Aufklärer“ gewesen, einer, der ungewöhnlich und unverschämt gewesen sei: Unverschämt? Das Wort versteht er in diesem Zusammenhang wie ein Zitat des Apostels Paulus in den Römerbriefen -– da heißt es: man müsse um des Evangeliums Willen unverschämt sein.
Genau 554,83 Euro kamen als Kollekte nach der Predigt in Veitsrodt zusammen. Das Geld wird auf Hubers Wunsch für die Arbeit der Bahnhofsmissionen verwendet Musikalisch umrahmt wurde der Abend von Jasmin Arth (Cello) und Hans-Peter Bohrer (Klarinette) von der Kreismusikschule.
Nahe Zeitung vom Donnerstag, 26. April 2018, Seite 13
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