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Nahe Zeitung vom Montag, 16. Juni 2008 Gedichte voller Heimweh Kulturverein "Schnecke" präsentierte mit Paula Quast ein anrührendes Porträt von Mascha Kaléko
Heimwehkrank starb Mascha Kaléko 1975 in Zürich. Ein musikalisch-literarischer Abend mit Texten der jüdischen Dichterin erinnerte an ihr glückarmes Leben.
IDAR-OBERSTEIN. "Sie sprechen von mir nur leise...": Unter diesem Titel, einer Gedichtzeile von Mascha Kaléko, stand der lyrisch-musikalische Abend in der Göttenbach-Aula, der ein einfühlsames und anrührendes Porträt der jüdischen Dichterin Mascha Kaléko zeichnete, die von 1907 bis 1975 lebte.
Mehr als 50 Zuhörer waren - trotz übermächtiger EM-Fußballkonkurrenz - zu der Veranstaltung gekommen, sehr zur Freude von "Die Schnecke", dem "Forum für Kultur und Gesellschaft", das zu dem literarischen Abend eingeladen hatte.
Rezitatorin der eineinviertelstündigen Darbietung war Paula Quast, Hamburger Schauspielerin, die, von Henry Altmann mit Bass, Tuba, Xylofon und Harmonika dezent begleitet, eine Auswahl von zwei Dutzend Texten von Mascha Maléko vortrug und damit eindringlich, aber unpathetisch den schicksalsschweren Lebensweg der heute immer noch sehr bekannten Dichterin nachzeichnete.
Mascha Kaléko, 1907 in Galizien geboren, arbeitete bis 1938 in Berlin (wo sie die Verbrennung ihrer Bücher miterleben musste), emigrierte in die USA, kehrte nach dem Krieg nach Deutschland zurück und lebte ab 1960 in Jerusalem. Eines der Hauptthemen ihrer als "Gebrauchslyrik" bezeichneten, fast durchweg in Ich-Form geschriebenen Werke, mit denen sie zu Recht neben Kurt Tucholsky und Erich Kästner gestellt wird, ist das Gefühl der Einsamkeit, der Isolation, der Heimatlosigkeit. Selbst in Jerusalem wurde Mascha Kaléko nie heimisch. Berlin und die dortige Zeit mit ihren literarischen Freunden und ihren ersten Erfolgen blieb ihre ewige Sehnsucht.
Auch Paula Quasts Gedichtauswahl zeigt die heimwehkranke Mascha Kaléko, darüber hinaus aber den trotz allem aufgeschlossenen, die Welt kritisch und klug, doch nie zynisch oder aburteilend betrachtenden Menschen.
Paula Quast kommt fast ganz ohne Gesten aus. Neben einem Tischchen mit bren-nender Kerze sitzend, benennt sie Kalékos biografische Stationen und trägt dezi-diert, durch wirkungsvolle Pausen gegliedert, mit zurückhaltendem Stimmaufwand, eher prosaisch erzählend als lyrisch die Verse Kalékos vor: über Mädchenträume, Liebe und Ehe, über Beamte und Verwandte, über Gott und den Schutzengel, über persönliche und globale Katastrophen, über das Zeitunglesen, das Kranksein und über ein "Interview mit mir selbst".
Die musikalischen Zwischenstücke spielt der Hamburger Bassist Henry Altmann: dezent, meist als drängende oder perlende Klangcollage, als gezupfte, variierte Tonfolge, als Diener der Worte. Die sind es, die in der - wenn auch an anschaulichen Situationen festgemachten - Kaléko'schen Gedankenlyrik im Vordergrund stehen. Selten unterlegt daher Altmann mit glockenähnlichen Xylofonklängen oder melancholischen Harmonikaseufzern Quasts Rezitation direkt. Entsprechend konzentriert lauschte das Publikum. Es erlebte einen intensiven Abend, der mit den wehmütigen Versen der glückarmen Mascha Kaléko schloss: "Mein schönstes Gedicht? Ich schrieb es nicht. Aus tiefsten Tiefen stieg es. Ich schwieg es." (ed)
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