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Nahe-Zeitung, 16.05.1990 "Lachen ist eine verdammt gute Einstiegsdroge" Blick zurück im Zorn auf apokalyptische Zukunft Lore Lorentz brillierte vor 300 Besuchern in Göttenbach-Aula
"Pointenseligkeit muss nicht sein, sich im Kabarett unentwegt lachend über Probleme hinweghangeln ist auch unstatthaft. Aber eines ist sicher. Lachen ist eine verdammt gute Einstiegsdroge. Es wiegt das Publikum in Sicherheit, es macht aufnahmefähig, und unversehens kann man die harten Sachen loswerden. die gesagt werden müssen." Die Kabarettistin Lore Lorentz, die so Einblick in ihr Verhältnis zum Publikum gibt hatte bei ihrem Gastspiel in der Göttenbach-Aula oft genug die Lacher auf ihrer Seite. Spielregeln für Querdenker« heißt das Programm, mit dem Lore Lorentz vor 300 Besuchern brillierte. Mit Texten von Michael Kunze, Matthias Deutschmann, Claus-Peter Lieckfeld, Harald Schmidt und anderen. eingebunden in eine bühnenwirksame Idee ihres Mannes Kay, bereitete sich Lore Lorentz in ihrem gutbürgerlichen Wohnzimmer auf den Besuch von Wagners Gotterdämmerung" vor, während der (unsichtbare) Gatte im Nebenzimmer seine fliege sucht. Fast in beiläufigem Plauderton lässt Lore Lorentz das Publikum teilhaben an ihren Gedanken zu einem großen Auftrag: Sie soll beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Silvestersendung 1999 gestalten. Jahrhundertwende, Jahrtausendwende - gegebener Anlass für einen Blick zurück im Zorn auf die apokalyptische Zukunft Vom Hambacher Fest bis zu den Republikaner ein arger Schritt des pervertierten Nationalismus (.Ihr habt uns Deutschland geklaut"). "Die Zukunft kam uns abhanden", lautet das traurige Vermächtnis fürs dritte Jahrtausend. Und weil Lore Lorentz offensichtlich zuvor -einige Termine im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf wahrgenommen hatte, fehlt es auch nicht an tagespolitischen Bezügen. Da wird Norbert Blüm zum Erfinder der Gesundheitsdämpfung durch das Kostenwesen und Umweltminister Töpfer fordert einmal mehr: "Sofortiges Handeln ab 1992 ... " Kanzlerberater Teltschik verbrennt einen Brief mit U-Boot-Blaupausen "einfach so" und Lore Lorentz fragt: "Überlegen Sie mal, wenn ein Kind das mit seinem Mathematikheft täte. Zu resignieren scheint Lore Lorentz, wenn sie pauschalierend behauptet, in den Denkfabriken der Parteien sei die Kurzarbeit zum Idealfall geworden. Resignation scheint im ersten Moment t auch mitzuschwingen. wenn sie Skandalpolitikern attestiert: Die glauben nicht nur, dass sie durchkommen, die kommen durch!" Doch unversehens zeigt sich, dass Lore Lorentz keineswegs nur Politiker kritisiert~ sondern auch das Publikum attackiert, indem sie bilanziert: "Für wie blöd halten die uns? Für so blöd. wie wir sind." Bissig vereidigt sie bei aller Kritik die parlamentarische Demokratie und stellt mit Blick auf den Verteidigungsminister fest, die Demokratie habe ihn nicht nur möglich gemacht sie werde ihn auch unmöglich machen. Ihre Anerkennung zollt Lore Lorentz den Querdenkern wie Biedenkopf und Glotz (bei den Liberalen falle ihr der Name gerade nicht ein und die Grünen dächten ohnehin alle kreuz und quer). Das größte Umglück hätten Mütter und Ammen über die Menschheit gebracht mit ihrem Spruch vom Klügeren, der stets nachgibt. Beißend im Inhalt blieb Lore Lorentz Im Ton meist die freundliche, ältere Dame, die auf mehr als 40 Jahre Kabaretttätigkeit zurückblickt Die großen Anklagen bleiben zumeist ihren Liedern vorbehalten: Es ist uns peinlich Enkelkinder... Es gibt keine Zukunft mehr. Dabei bezog sie dann ihre drei vorzüglichen Musiker Ulrich Jokiel, Holger Clausen und Wolfgang Filz als gleichberechtigte Partner ein.
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