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Als die Barbaren über Löwen herfielen Kulturverein Die Schnecke und das Göttenbach-Gymnasium luden zum literarisch-musikalischen Abend
Von unserer Mitarbeiterin Ilona Brombacher
M Idar-Oberstein. Zur ersten nicht schulischen Veranstaltung in der Mensa des Göttenbach-Gymnasiums hatte der Kulturverein Die Schnecke in Kooperation mit der Schulleitung geladen, gut 50 Zuhörer folgten dem vielseitigen Programm, durch das der Vorsitzende des Vereins, der ehemalige Landrat Axel Redmer mit einer Power-Point-Präsentation und vielerlei Zusatzinformationen führte. Ausgangspunkt für diesen literarisch-musikalischen Abend mit dem martialischen Titel „Wenn die Barbaren kommen“ war die Zerstörung der weltberühmten Bibliothek von Löwen in Belgien durch deutsche Soldaten zu Beginn des Ersten Weltkrieges. Angesichts der barbarischen Vernichtungen kultureller Werte während kriegerischer Auseinandersetzungen auch in unserer heutigen Zeit war der Titel mit Bedacht gewählt, betonte Axel Redmer in seiner Einführung. Zum Auftakt der Lesungen, die den Meinungswandel von begeisterter Kriegsbefürwortung des Ersten Weltkriegs zur völligen Ablehnung des Krieges von Autoren darstellen sollten, trugen die Zwölftklässler Ulli Gosert und Alina Decker den 1928 erschienenen, international sensationell erfolgreichen Roman „Jahrgang 1902“ von Ernst Glaeser vor, der aus der Sicht von Kindern die biergetränkte Begeisterung bei Kriegseintrittsverkündigung festhielt. Karola Fahldieck und Christopher Hermes nahmen sich des sehr jungen Bertolt Brechts an, der als Schüler für Lokalzeitungen patriotische Kolumnen zum Kriegsalltag geschrieben, sich aber schon bald zum Kriegsgegner gewandelt hatte. Davon zeugte seine „Legende vom toten Soldaten“. Zusammen lasen die vier Schüler das Georg-Trakl-Gedicht „Grodek“ und Alfred Lichtensteins „Doch kommt ein Krieg“ mit netten kleinen dramaturgischen Kniffen. Christopher Hermes trug mit sehr guter Betonung den „Sterbenden Soldaten“ von Karl Kraus vor und Karola Fahldieck Lion Feuchtwangers „Lied der Gefallenen“ aus dem zweiten Kriegsjahr. Im zweiten Teil des Abends hörten die Gäste zum Teil sehr lange Texte: Etwa „Die Schneiderin“ von Claire Goll, die sich der Schweizer Friedensbewegung angeschlossen hatte, einfühlsam und doch mit trockener Distanz vorgetragen von Sonja Redmer. Armin Peter Faust wärmte sich beim Vortrag von Klabunds Erzählung „Im Russenlager“ aus dem Band „Der Marketenderwagen“ auf und lebte dann bei seinem expressiven Vortrag der „Ballade des Vergessens“ regelrecht die Empörung des Schriftstellers, der zum absoluten Kriegsgegner geworden war. Anne Sinclair las eine sehr lange Passage aus dem Bestsellerroman „Eine Frage der Zeit“ des zeitgenössischen Schweizer Autors Alex Capus, der erst 2007 veröffentlicht und seither in sechs Sprachen übersetzt wurde. Umrahmt wurden die Lesungen von musikalischen Kostbarkeiten, ausgewählt und in gefühlvoller, gekonnter Manier am Flügel dargeboten von Klaus Gerhold. Mal allein, mal mit seiner Frau Jutta oder mit Dr. Michael Gesemann an der Bratsche brachte er sehr passend das Publikum mit Stücken von Johann Sebastian Bach (Präludium in f-Moll), Franz Schubert (Fantasien in f-Moll für zwei Hände), Robert Schumann („Märchenlied“ Nr. 4 D-Dur) und Maurice Ravel (Trauermusik für einen gefallenen Freund – „Le tombeau de Couperin“) zum Schwelgen. Abschließend mahnten Sängerinnen dreier Chöre Cantabile, Musikalische Werkstatt und Schulchor mit „Let there be peace on earth, let it begin with me“. Christine Werle war für die Buchhandlung Schulz-Ebrecht mit einem Bücherstand zum Thema vertreten, er konnte auch ein paar literarische Kostbarkeiten verkaufen.
Nahe Zeitung vom Montag, 29. September 2014, Seite 13
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