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Nahe Zeitung, 25. April 2012 Von der Kanzel gegen die Kirche als Arbeitgeber Magister-Laukhard-Predigt Ingrid Matthäus-Maier sprach in Veitsrodt vor mehr als 100 Besuchern
Von unserem Reporter Jörg Staiber
M Veitsrodt. Schon der Titel der diesjährigen Magister-Laukhard-Predigt „Katholisch operieren – evangelisch Fenster putzen?“ versprach Provokation und Wortwitz zugleich. Und in beide Richtungen wurden die mehr als 100 Besucher in der evangelischen Kirche in Veitsrodt nicht enttäuscht. In ihrer ausgesprochen weltlichen Predigt nahm die frühere Bundestagsabgeordnete und Bankdirektorin sowie bekennende Agnostikerin Ingrid Mätthaus-Maier das kirchliche Arbeitsrecht ins Visier, von dem rund 1,2 Millionen Arbeitnehmer betroffen sind – eine Zahl, die doch so manchen Besucher erstaunte.
Und für diese gesamten Arbeitnehmer, so erläuterte Ingrid Matthäus-Maier, reklamieren die Kirchen einen sogenannten „Tendenzschutz“. Das ist zwar eine altbekannte und auch häufig kritisch hinterfragte Tatsache. Aber welche Folgen das hat und zu welchen geradezu absurden Situationen dies führen kann, machte die frühere Finanzpolitikerin an zahlreichen Beispielen klar, ohne die zum großen Teil überaus fragwürdigen juristischen Konstruktionen, die diese Verhältnisse erst möglich machen, aus den Augen zu verlieren.
Für die rund 1,2 Millionen kirchlichen Arbeitnehmer seien, so machte Ingrid Matthäus-Maier deutlich, mehrere Grundrechte vom Streikrecht bis zur Organisations- bis zur Glaubensfreiheit de facto außer Kraft gesetzt. Wobei ihrer Schätzung nach nur bei etwa rund 200 000 so etwas wie der von den Kirchen und ihren Organisationen reklamierte Tendenzschutz überhaupt zu rechtfertigen sei. Denn weder ein Arzt noch eine Erzieherin und schon gar nicht eine Reinigungskraft kämen mit dem Verkündigungsauftrag der Kirche überhaupt in Berührung.
Häufig aber hätten kirchliche Organisationen regionale Monopolstellungen, etwa bei der Gesundheitsfürsorge oder bei sozialen Dienstleistungen, die zudem in der Regel entweder zu ihrem überwiegenden Teil oder sogar vollständig aus nichtkirchlichen Mitteln finanziert würden. Trotzdem würden sich kirchliche Arbeitgeber immer wieder anmaßen, ihre Beschäftigten – zum Teil sogar ihre „Kundschaft“ – bis in private Bereiche hinein zu reglementieren oder zu sanktionieren, was die Ex-Politikerin mit einer Reihe von teilweise erschreckenden Beispielen belegen konnte.
Ingrid Mätthaus-Maier, die sich auch als Beiratsmitglied der Giordano-Bruno-Stiftung gegen kirchliche Traditionen und Deutungshoheiten wendet, mochte dann doch mit einer kirchlichen Tradition nicht brechen: der Kollekte. Und diese brachte dann immerhin 436,85 Euro ein, die an den Ruanda-Hilfsfonds des Landes gingen.
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