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Nahe-Zeitung, 26.03.1992 Herr Nachbar entlarvt sich schließlich selbst Mehr als 1100 Besucher beim Kabarett-Abend in der Mikado-Halle
IDAR-OBERSTEIN. Was kommt ans Tageslicht, wenn gestandene Bayern ihre Lederhosen ausziehen? Auch unter der alpenländischen Tracht tritt letztlich nichts anderes zum Vorschein als das hinlänglich bekannte Schwarz-Rot-Gold!
Der Strip, den die Biermösl Blosn zum Finale des Abends auf die Bretter legten, hatte Demonstrations-Charakter Gesellschaftssatire büßt nichts an ihrer Schärfe ein, wenn sie ich in Krachlederne und Lodenjacke, kleidet. Schmankerl und Anekdoten aus dem bürgerlichen Alltagsleben verlieren nichts von ihrem Hintersinn, wenn sie in bajuwarischem Tonfall und umrahmt von einer zünftigen "Musi" aufgetischt werden.
Im Gegenteil: Gerhard Polt und seine musikalischen Begleiter, die Biermösl Blosn, servierten den rund 1100 Besuchern am Dienstag in der Mikado-Halle Kabarett vorn Feinsten: mit spitzen Pointen, die nicht nur auf die Landsleute südlich des Weißwurst-Äquators zielten, mit herrlichen Persiflagen auf die auch hierzulande so beliebte weißblaue Folklore, mit Gags zum Schmunzeln und laut Loslachen.
Gemütlich angepackt
Polt ist mehr als ein bayrischer Geschichten-Erzähler. Geschickt versteht er es, die ihm und seinen Landsleuten eigene Mentalität als dramaturgisches Mittel einzusetzen: Gemütlich und überaus weitschweifig geht er die Themen an, die er durchweg im bürgerlichen Milieu, "in der direkten Nachbarschaft" quasi, findet.
Der Fremdenfüher mit seinen höchst abenteuerlichen, Englischlischkenntnissen, die keifende Mutter die ihrem Sprößling ständig auf die Finger haut der großkopferte Nachbar, der unentwegt mit seinem Garagen-Neubau - selbst die Einfahrt hat jetzt eine Fußbodenheizung protzen muß, oder der dörfliche Gemeinderat, dessen Sitzungen ständig in Saufgelagen enden - dem Publikum sind solche Figuren und Geschichten wohl vertraut, genüßlich lauscht es dieser Art von Tratsch und Klatsch, glaubt sich vor Überraschungen sicher...
Knallhart die Pointe
Und bekommt unversehens von Polt das "dicke Ende", die knallharte Pointe präsentiert: "Eine Chemische Fabrik in unserem Ort? Warum denn nicht wenn man uns kräftig schmiert..."sagt der Gemeinderat. Nur Asylanten, Mohren gar, die möchte man nicht im Dorf.
Vertrautheit schützt vor Bosheit nicht sagt Polt, der als studierter Poltik-Wissenschaftler eher zufällig Mitte der 70er Jahre zum Kabarett kam. Und nichts liegt dem gebürtigen Münchner ferner, als mit erhobenem Zeigefinger jene Alltäglichkeiten zu kommentieren, die Stoff für seine Sketche sind.
Er stellt lediglich die Menschen dar. In der Beschreibung liegt der Witz (und der Biß) seiner Satire. Die Pointe liefern die die er beobachtet und auf die Bühne bringt, selbst. Beiläufig meist und harmlos fällt ihnen Entlarvendes aus dem Mund.
Der Fremdenführer, der mit unverhohlenem Stolz die Folterkammer eines oberbayrischen Schlosses als "the heart of our castle" preist kann seinen ausländischen Gästen wohl mit einem freundlich gemeinten Tip behilflich sein, wo sie denn moderneres Folterwerkzeug besichtigen können: "Some miles from here, in Dachau ... "
Sich selbst entlarvt
Die Biermösl Blosn, seit mehr als zehn Jahren bereits bei Theaterproduktionen und auf der Bühne Polts musikalische Mitstreiter, blasen in das gleiche Horn. Ähnlich wie Polt mit Worten und sprachlichen Versatzstücken agieren sie mit heimatlicher Folklore und ihrem Instrumentarium.
Hemdsärmelig, einer sogar in Kniebundhosen, kommen die drei Well-Brüder Hans, Michael und Christoph auf die Bühne: "Eine typisch bayrische Blasmusik" halt, die selbst vor Jodel-Einlagen und Schuhplattler nicht zurückschreckt Doch jene Dissonanzen, die das Trio bereits beim Stimmen seiner Instrumente offenbart sind keineswegs die Mißtöne einer Dorfkapelle. Die schrägen Töne sind gewollt denn allzu vieles an jenem heilen Bild der Welt, daß uns die sogenannte Volksmusik beschert muß zurechtgerückt werden, meinen die Blosn.
Gewollte Mißtöne
Den lieben Gott freut's, bescheinigen sie dem Burschen, der sein "Dirndl" zwar lieben, doch nicht ehelichen will. Und geben der heuchlerischen Pfaffen-Moral noch eins drauf. Gott sei wohl schon längst aus deren Kirche ausgetreten.
Auch das Spektrum des Blosn Humor reicht von schlichtem Geblödel bis zur harten Satire. Eine Mischung, die dem Publikum in der Mikado-Halle hörbar zusagte. Auch nach mehr als zwei Stunden Programm. hatte es noch ein Ohr für leise Zwischentöne, klatschte enthusiastisch mehrere Zugaben heraus.
Klaus-Peter Müller
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