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Nahe-Zeitung, 20.05.1995 Kabarettist aus Düsseldorf untersuchte in der Göttenbach-Aula die Frage, "wie es insgesamt so aussieht" Alltag liefert den Stoff für Nuhrs Lästereien Auftritt in kurzen Hosen und mit Hosenträgern - Kalauer des Rheinländers sorgten nicht nur für Heiterkeit
VON WOLFGANG MATTERN
IDAR-OBERSTEIN. "Ich rede zweimal eine dreiviertel Stunde auf Sie ein." Das ist O-Ton Dieter Nuhr. Der Kabarettist ist 34 - und das ist sein (aktuelles) Programm.
Er erzählte in der gut besetzten Göttenbach-Aula im ersten Programmteil vor allem über eins: über sich. Nach der Pause beschäftigte er sich schließlich mit der tiefsinnigen Frage, "wie es insgesamt so aussieht".
Gewagte Späßchen
Nörgelt Nuhr erst einmal richtig los, schreckt er vor nichts zurück, leider auch nicht vor manchem derben Kalauer. Die katholische Kirche mit der hirntoten Schwangeren von Ellwangen ("Das Herz schlägt, aDer das Hirn ist tot") zu vergleichen, Späßchen über den Zweiten Weltkrieg (,.Ohne Karl Moik hätten die Deutschen wahrscheinlich Polen längst wieder überfallen") zu machen oder seinen Spott mit Rentnern ("Die werden so lange am Leben gehalten, bis sie endlich von einem Auto überfahren werden") zu treiben, sorgte nicht nur für Lacher im Publikum.
In kurzen Hosen und Hosenträgern - der (Hinter-)Sinn erschloß sieh wohl kaum jemand - stand er auf der Bühne und schwadronierte über Gott und die Welt. Immer aus der Sicht eines, der schwer daran zu knabbern hat, kein 68er« zu sein. Die hatten's noch gut, hatten ihren Marcuse und Horkheimer. Aber der typische 34jährige? Der ist mit Momo und dem Kleinen Prinzen großgeworden, hat unter Karel Gotts Schnulzen gelitten und mit dem Interrail-Ticket die Welt kennengelernt. Nur auf eins könne seine Generation stolz sein: auf die Parole Jute statt Plastik.. Das alles und noch ein bißchen mehr, wort und gestenreich verknüpft, gibt ein humorvolles Kabarettprogramm, mit dem es sich ganz gut durch die Lande reisen läßt.
Passender Untertitel
Nuhr schöpft aus dem Vollen: Das tägliche Leben liefert den Stoff, aus dem seine Lästerei ist. Nicht umsonst hat er als Untertitel für sein Programm "Reality-Kabarett" gewählt. Die überfüllten Wochenendzüge müssen ebenso für "Nuhr am Nörgeln" herhalten wie das Waldsterben ("Der deutsche Wald stirbt schon seit 15 Jahren - warum fällt er nicht einfach tot um?") oder die Schicki-Mickis von Düsseldorf, der Stadt, aus der er stammt.
Nuhr, den Kritiker schon mit dem Niederrheiner Hanns Dieter Hüsch, einem der ganz Großen der Kabarettistenzunft, verglichen haben sollen (das hinkt aber doch ein wenig), reißt sicher niemanden vom Hocker. Er unterhält im besten Sinne, sorgt für nette Wortspielereien und bietet so manchen gelungenen sprachlichen Gag. Man geht nach gut zwei Stunden schließlich nach Hause und denkt: War ganz lustig". Aber: Nuhr ist ja erst 34. Also noch steigerungsfähig. . .
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