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"Wieso - warum?" Kästner-Abend mit Sonja Kehler, Schauspielerin, Sängerin, Regisseurin und Dozentin 18.04.1999, 20.00 Uhr, Idar-Oberstein, Göttenbach-Aula
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Nahe-Zeitung, 20.04.1999 Die Schauspielerin und Sängerin Sonja Kehler bewies, daß Erich Kästners kritische Texte sehr unterhaltsam sein können "Halbe Portion" füllte die ganze Aula aus
"Die Schnecke" hatte zum 100. Geburtstag des Schriftstellers eingeladen
Der Kulturverein "Die Schnecke" feierte den 100. Geburtstag Erich Kästners. Dabei bewies die Schauspielerin und Sängerin Sonja Kehler mit ihrem kurzweiligen Programm "Wieso - Warum?", daß dessen kritische, sogar "böse" Texte auch unterhaltsam sein können. Von Eiko Donay
IDAR-OBERSTEIN. Schmal, von zierlicher Statur ist Sonja Kehler, eine "halbe Portion", wie sie später in einem ihrer Kästner-Lieder beziehungsreich singen wird, und doch ist ihre Bühnenpräsenz so stark, daß sie mühelos die Göttenbach-Aula "ausfüllt". Gemeinsam mit dem Pianisten Milan Samko, der musikalisch und (dezent) schauspielerisch in das Programm einbezogen ist, hat Sonja Kehler ein buntes Kaleidoskop von Texten von und über Kästner zu einem Mosaik zusammengefügt, das die Vielfältigkeit der Lebensaspekte Kästners darstellt. Zwar stehen diese in der zweistündigen Programmfolge oftmals sprunghaft, fast unverbunden nebeneinander, doch gerade dies ist nicht reizlos: ihr Wechsel und der Wechsel zwischen gesprochenen und gesungenen Texten belebt. Anschaulich wird das Lebensgefühl des Skeptikers Kästner vermittelt: Neben Humor und Skurrilität ("Ein Sofa steht im Walde") der Hohn, die Ironie, die Verachtung der "unverbesserlichen Zeitgenossen" und der "Ehepaare, die sich in penetranter Zweisamkeit auf 19 verschiedene Arten anschweigen", der Spott über die Dame, die nach "neuester Mode" und "aus sportlichen Gründen" der Liebe pflegt, die Melancholie "bei Regenwetter" und die Resignation bei "Einsamkeit". Rauchig oder blechern, dunkel-frivol oder flötend, gehaucht, tremolierend oder vollmundig schmachtend: modulationsstark ist Sonja Kehlers Stimme. Akzentuierte Gestik unterstreicht den Gesang: eine wegwerfende Handbewegung, der deutende Zeigefinger, ein Nicken zum Pianisten hin, Marschtritt, Tänzelschritt - zu Recht spendet das Publikum nach jeder Nummer Beifall. Aktueller Bezug: "Es wird wohl ein Traum bleiben", sagt Sonja Kehler, bevor sie die "Fantasie von übermorgen" vorträgt, in der Kästner die Frauen ihre Männer einsperren läßt, damit diese nicht in den Krieg ziehen können. Und sie zitiert unter besonderem Beifall aus dem Bericht Kästners von seinem Besuch des bombenzerstörten Dresden 1947: "Bestraft künftig die Regierungen und nicht die Völker! Und tut es gefälligst vorher und nicht nachher!"
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