|
Nahe-Zeitung, 30.11.2001 Hemmungslos in Richtung Pointe
Kabarettist Matthias Beltz zog 250 Zuschauer in die Göttenbach-Aula - Taliban, Idealismus und ein Kabarett ohne Feindbild
Auf Einladung des Kulturvereins "Die Schnecke" gastierte Matthias Beltz in der Göttenbach- Aula. Rund 250 Besucher erlebten ein zwar brillantes Pointen- Gewitter, spürten aber auch die dahinter steckende fast resignative Ratlosigkeit des bekannten hessischen Kabarettisten.
IDAR-OBERSTEIN. "Eigenes Konto - Wenn alles sich rechnet und niemand bezahlt" heißt das aktuelle Programm von Matthias Beltz. Anders als der Titel vermuten lässt, ging es dabei kaum um Kommerz, käufliche Politiker oder dubiose Spenden. Zu sehr haben die Ereignisse des 11. September und deren Folgen die politische Landschaft auch bei uns umgepflügt, als dass der immer auch tagesaktuell reagierende Kabarettist Beltz sie ignorieren könnte. So gestand er denn auch ein, dass selbst ein so köstliches Wortspiel wie "Außen Minister - Innen Kanister", das die Debatte um die militante Vergangenheit von Joschka Fischer und seinen angeblichen Hang zu Molotow- Cocktails aufs Korn nimmt, die noch zu Beginn des Jahres die Gemüter über Wochen erhitzt hatte, inzwischen wie aus einer untergegangenen Epoche stammend wirkt. Vielmehr scheinen die Zeiten, "als das Böse noch eine eigene Postadresse hatte", zurückgekommen zu sein, nur dass diese Adresse inzwischen nicht mehr der Kreml ist, sondern ein gutes Stück weiter südöstlich liegt.
Kalauer inbegriffen Mit Kalauern wie "Der Christ hat seinen Herren angenagelt, der Taliban erschreckt, wenn's hagelt" näherte sich Beltz der aktuellen, zum Konflikt zwischen "Gut" und "Böse" stilisierten Weltlage - und landete beim Deutschen Idealismus und den fundamentalistischen Bewegungen in Europa, von den Kreuzzügen bis zur 68er- Bewegung. "Wir hatten vorher beschlossen, Recht zu haben", meinte er rückblickend und benannte gleich den Vorteil dieser Haltung: "Die Gefühle sind da, der Hass klappt." Der für Beltz wesentliche Unterschied zwischen Taliban und Protestbewegung: "Zum Bösen hat's bei uns nicht gereicht." Irritierend bei diesem "Kabarett ohne Feindbild", sieht man einmal von der beinahe masochistischen Aufarbeitung der eigenen Geschichte ab, ist, dass beinahe jedes Thema zur Zielscheibe für Beltz sprachlich fast immer brillant geschliffene Pointen werden konnte. Auch die Frage "Welche Witze kann man noch erzählen?" war da lediglich ein rhetorischer Schlenker, hätte sie doch eigentlich lauten müssen: Worüber darf oder sollte man keine Witze machen? Die Zügel der "Political Correctness" legt sich Beltz nicht an, egal ob Ausländer, Behinderte oder Holocaust, die Aussicht auf eine gelungene Pointe lässt fast alle Hemmungen schwinden. Und mehr als einmal bliebe da dem Zuhörer das Lachen im Halse stecken - wären die Pointen nicht so verdammt gut. Und wäre da nicht Beltz' großartiges Gefühl für Timing, seine Gabe, die Pausen im sprudelnden Wortschwall immer genau so kunst- und wirkungsvoll zu setzen, dass man sich der Dramaturgie seiner rüden Komik kaum entziehen kann. Jörg Staiber
|
|