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Was will der Islam?
Eine Einführung mit Prof. Dr. Karl-Heinz Ohlig
04.11.2001, 19.30 Uhr
Idar-Oberstein, Badischer Hof


Trierischer Volksfreund, 08.10.2001
Ein Text und viele Deutungen

Meinungsverschiedenheiten zwischen Gäubigen und Wissenschaftler bei Info-Veranstaltung zum Islam – Streit über Koran-Deutung
Von unserem Mitarbeiter HOLGER NOSS

IDAR-OBERSTEIN. Bei einer Info-Veranstaltung des Kulturvereins "Die Schnecke" referierte der Religionswissenschaftler Professor Karl-Heinz Ohlig über den Islam.
Die Bilder des Schreckens vom 11. September sind noch allgegenwärtig. Nach Trauer und Ohnmacht kommen jetzt Fragen nach den Drahtziehern des Verbrechens. Es soll sich bei den Terroristen um islamische Fundamentalisten handeln. Deshalb ist die Frage aktuell: Steht eine solche Tat noch im Einklang mit den Lehren des Islam? Dies war eine der Fragen der 40 Besucher einer Info-Veranstaltung über den Islam, die auch einige Muslime besuchten. Professor Ohlig von der Universität des Saarlandes stellte gleich klar, dass in der zur Verfügung stehenden Zeit der Islam nur im Schnelldurchlauf besprochen werden könne.
Dann ging er vor allem auf die Rezeptionsgeschichte des Korans und Probleme bei der Textauslegung ein, denn der Koran lässt mehrere Deutungen zu. So begünstigen das Fehlen von Vokalen und die Mehrdeutigkeit von Konsonanten in der arabischen Sprache verschiedene Übersetzungen. Funde alter Koran-Handschriften, sowie Thesen darüber, dass Teile des Korans auch in syrischer Sprache abgefasst waren, führen ebenfalls zu ganz neuen Erkenntnissen in der Forschung. "Ganze Textpassagen erhalten plötzlich eine vollkommen neue Bedeutung", erklärt der Theologe, der auch auf Gemeinsamkeiten mit anderen Religionen verwies.
So glauben Muslime wie auch Christen und Juden, nur an einen Gott. Der Islam ist eine monotheistische Religion. Der Schöpfungsglaube weicht ein wenig von christlichen Vorstellungen ab, da es im Islam nicht einen einzigen Schöpfungsakt gibt, sondern Schöpfung als immer noch andauernder Prozess interpretiert werden kann. Dies bedeutet, dass alles was entsteht, von Allah geschaffen wird. Im Islam gibt es, wie auch im Christentum, ein Leben nach dem Tod. Wichtig ist auch die Kismet-Vorstellung des Islam: Alles was geschieht ist so von Allah so gewollt. Neben diesen Grundthemen erklärte der Religionswissenschaftler die Geschichte der Verbreitung des Islam von Südspanien bis nach Asien.
Bis zum Jahr 1100 hatte der Islam seine Blütezeit. In vielen Bereichen wie der Medizin oder der Philosophie war die islamische Welt dem Abendland weit überlegen. Erst durch die Entstehung der vier großen Rechtsschulen und der beginnenden Normierung, sei eine Stagnation eingetreten, die dem Islam geschadet hätte, so der Referent. In der anschließenden Diskussion bekundeten die Muslime im Publikum ihren Unmut. "Das ist nicht unser Islam, über den sie hier referiert haben", hieß es gleich mehrfach.
Die Muslime machten deutlich, dass es für sie nur einen verbindlichen Text gibt und die wissenschaftliche Koran-Forschung keinerlei Auswirkungen auf sie habe. Der historische Ansatz im Vortrag von Ohlig wurde als archäologisch bezeichnet. Statt zurückzublicken sollte man vielmehr nach vorne schauen. Ohlig ließ diese Kritik nicht unbeantwortet: "Wir können nur dann die Probleme von heute lösen, wenn wir die Probleme von gestern kennen. Das was ich hier mache ist keine Archäologie, sondern Basisarbeit!" Die wissenschaftliche Aufklärung würde vielfach auch als Bedrohung der religiösen Fundamente angesehen. Ohlig zeigte aber Verständnis für die Kritik. Das Christentum habe einen ähnlichen Aufklärungsprozess durchlaufen. Trotz aller Differenzen machten die Muslime deutlich, dass die Anschläge von New York nichts mit den Lehren des Islam gemein hätte. So etwas sei auf jeden Fall abzulehnen.
Eine Ansicht, die auch Nicht-Muslime teilten. So war Lamia Spindler aus Dessau froh über die Veranstaltung, da sie erst den Dialog ermögliche. Wichtig sei nicht, ob der einzelne Christ oder Muslime sei, sondern das alle friedlich miteinander leben. Roswitha Slavik vom Arbeitskreis Asyl in Idar-Oberstein fand den Einstieg in das Thema unglücklich gewählt. Informationen über den Alltag und die Werte im Islam wären wichtiger gewesen. Für Jana Skodova aus Ellweiler waren vor allem die historischen Informationen sehr interessant. Die Meinungsunterschiede führt sie darauf zurück, dass Professor Ohlig sehr wissenschaftlich argumentiert hätte, während die Muslime, um ihren Glauben zu schützen, sehr emotional reagiert hätten. Veranstalter Axel Redmer war trotz des Streits zufrieden: "Die Veranstaltung war ein erster Versuch miteinander zu reden. Dieser Dialog muss nun fortgesetzt werden."

Nahe-Zeitung, 06.10.2001
"Spätes Interesse am Islam"
Mit dem Vortrag von Theologie-Professor Ohlig über den Islam waren Muslime nicht einverstanden

Einige Muslime wollten schon den Saal verlassen, erklärte Dr. Asem El-Duweik: Im Vortrag des Theologieprofessors Karl-Heinz Ohlig sahen sie Fehler und eine Herabwürdigung ihrer Religion. Der stützte sich auf Erkenntnisse westlicher Forschung und zeigte Unterschiede zwischen Koran-Überlieferungen auf.

IDAR-OBERSTEIN. Das Interesse am Islam ist gewachsen seit dem 11. September, seit dem Tag der Attentate in den USA. Doch es kam sehr spät, bemängelte Axel Redmer. "Wir hätten uns schon vor zehn oder gar 20 Jahren damit beschäftigen müssen", meinte der Vorsitzende des Kulturvereins "Die Schnecke". "So haben wir vieles verdrängt, viel Unkenntnis ist vorhanden."
Selbst Theologieprofessor Karl-Heinz Ohlig gab in seinem Vortrag auf Einladung der "Schnecke" am Donnerstag im "Badischen Hof" zu, dass "wissenschaftlich die Koran-Forschung erst in den Anfängen steckt". Doch er wehrte sich gegen Vorwürfe von seiten der Muslime im "Badischen Hof". Deren Vertreter, Dr. Asem El-Duweik, hatte bemängelt, dass Ohligs Informationen "wenig mit dem Islam zu tun" hätten.

Abweichung von Ur-Fassung?
"Im Koran wurde alles von Anfang an festgelegt", griff El-Duweik die Darstellung Ohligs an. Der hatte auf die Diskussion in der westlichen Wissenschaft verwiesen, ob der ursprüngliche Text des Koran mit den späteren Fassungen übereinstimme. So enthalte ein handschriftlicher Koran-Text von etwa 750 nach Christus - einer von vielen - "sehr viele Abweichungen" vom ursprünglichen Text, den Kalif Osman um 650 nach Christus aufgezeichnet habe.
Auch mit dem Einwurf einer Muslima, dass die Koran-Suren nach Mohammeds Tod so lange mündlich weitergegeben wurden, bis sie aufgeschrieben worden waren, konnte er sich nicht anfreunden: Wie habe in kriegerischen Zeiten ein Text mündlich wort-wörtlich weitergegeben werden können? "Das ist nicht nachvollziehbar." El-Duweik bestritt solche Abweichungen allerdings entschieden und kritisierte, dass in Europa falsche Vorstellungen über den Islam herrschten. "Wenn die Diskussion weiter so geführt wird, werden wir nie unsere Gemeinsamkeiten finden", bemängelte er.
Ohlig forderte, sich kritisch mit den Religionen auseinanderzusetzen, so, wie er es auch mit dem Christentum getan habe. "Die Religionen müssen lernen, in einer pluralistischen Gesellschaft die Sinnfrage zu stellen und nicht alles zu normieren." Von Toleranz zu sprechen, genüge nicht: "Man muss miteinander reden."
Von Reden hält auch Roswitha Slavik vom Arbeitskreis Asyl viel. Doch, so forderte sie, müsse weniger über akademisch-wissenschaftliche Grundlagen gesprochen werden. "Wir müssen uns mit den Werten auseinandersetzen." Ebenso wie Axel Redmer war sie überzeugt, dass die Attentate in den USA zwar im Namen des Islam, aber nicht im Sinne des Islam ausgeführt worden seien. (da)