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Nahe-Zeitung, 14.10.1987 Mehr als ein Kapitel der Biografie Lesung vor Schülern zeigte Schriftstellerin Frischmuth von Ihrer "leichten" Seite
-kpm- "Ich beiße nicht", ermunterte Barbara Frischmuth gestern morgen die Jungen und Mädchen im Zeichensaal des Gymnasiums Heinzenwies. Nachdem sie am Vorabend in der Göttenbach-Aula im Rahmen einer Kulturtage-Veranstaltung vor überwiegend erwachsenem Publikum ihr neuestes Buch "Über die Verhältnisse", ein Schlüssel-Rornan über die Donau-Republik in der Sinowitz-Ära, vorgestellt hatte, las die 46jährige Autorin aus Wien tagsdrauf zweimal vor 14- und 15jährigen Schülern und Schülerinnen.
Zu den "bissigen Literaten" zählt sie da sicher nicht Denn mit Absicht hatte sie fürs Schüler-Publikum das ihrer Werke ausgewählt, das am ehesten die kaum auf diesen "Dichter-Besuch" vorbereiteten 14jährigen fesseln konnte. Eine alltägliche Situation, auf die man zwangsläufig treffe, wenn man nicht gerade auf dem Mond lebt - so Barbara Frischmuth - beschreibe sie in "Familienferien": Mutter und drei Kinder, alle aus verschiedenen, inzwischen geschiedenen Ehen, machen gemeinsam Ferien.
Geschickt wechselt die Autorin die Betrachtungsebenen, schildert diesen "Familienverbund auf Zeit" teils aus der Sicht der Kinder, teils aus der Sicht der Erwachsenen. Die Sprache trifft, ganz gleich. ob vom Vater, der mal wieder verehrenswertes Familienoberhaupt spielt", oder vom kleinen Sohn Puh, der mit Mutter schmust obwohl der doch schon sieben ist" die Rede ist. Barbara Frischmuth, selbst geschieden und Mutter eines 14jährigen, kann sich in die Personen ihrer Erzählung hineinversetzen.
Was sie vom Kampf dieser Geschwister gegeneinander, von ihren Abgrenzungsversuchen und ihrer Solidarität gegen die Nachbarn die dann immer mehr über diese Familie wissen wollen", schildert, ist leichte Literatur, amüsant, manchmal zum Nachdenken anregend, aber stets ohne Bitterkeit. Ein "Gebrauchsbuch" für junge Menschen und Eltern in der gleichen Situation, sagt Barbara Frischmuth. Ein Buch aber auch, daß wie viele ihrer Werke - das Kindsein nicht bloß als biografisches Element einfließen läßt, sondern gleichberechtigt zur Erwachsenenwelt einbezieht.
Hierin liege eines ihrer besonderen Anliegen beim Schreiben, erklärte die Autorin in der abschließenden Frage-Runde den Schülern. Doch die interessierten sich weniger für diese literarische Emanzipation". Was die Dichterin" als 14jährige gelesen habe, wollten sie wissen. Hemingway und Faulkner. Und natürlich die Schulnote in Deutsch: Die sei "recht gut" gewesen, sagte die Schriftstellerin, doch ihr Sohn wetze die Scharte inzwischen wieder aus.
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