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Nahe-Zeitung, 01.03.1991 Ritt durch deutsche Geschichte Bernd Engelmann plauderte in der Göttenbach-Aula
"Helmut Kohl, Waigl und Ich können gleichmäßig schlecht rechnen", behaupte der Schriftsteller Bernt Engelmann und rechnete seinem Publikum in der Göttenbach-Aula vor, daß in Deutschland -dem reichsten Land der Welt -Reichtum sehr ungleichmäßig verteilt ist. Der Verfasser zahlreicher zeitkritischer Bücher war am Mittwochabend auf Einladung , des Kulturvereins "Die Schnecke" erstmalig nach Idar-Oberstein gekommen. Den äußeren Anlaß seines Ausflugs vom Tegernsee an die Nahe bildete sein neuestes Werk "Deutschlandreport", das allerdings erst in den nächsten Wochen erscheinen wird. So las der fast 70jährige nicht, sondern plauderte ohne jegliches, Manuskript aus Deutschlands Vergangenheit. In gleichmäßig ruhiger Stimmlage erzählte er die Geschichte Deutschlands vom Heiligen Römischen Reich, über Franken, Slawen, Hunnen bis zur geeinten Bundesrepublik Deutschland. Er zeigte dabei, daß es das, was sich heute stolz Deutschland nennt, vorher nie in dauerhaft bestehenden Grenzen gegeben hat Überhaupt klärte der Schriftsteller seine Hörerschaft auf, sei das Wort "deutsch" erst im zehnten Jahrhundert aufgetreten und heiße soviel wie "Volk" oder "Plebs" - also eine "fleißige, steuerzahlende Masse", wie Engelmann hinzufügte. Daß er damit eine deutliche Parallele zum heutigen "Steuerparadies" Deutschland gezogen hatte, entging dem aufmerksamen Publikum nicht, Auf seinem Ritt durch die deutsche Geschichte zeigte der Autor ferner, daß es eigentlich auch nie eine deutsche Hauptstadt gegeben hat Alles, was sich bisher so nannte, sind für Bernt Engelmann nichts als Kaiserpfalzen, Reichstage und Provisorien gewesen. Bezogen auf aktuelle Diskussionen gab der gebürtige Berliner dann gerne zu, daß er nichts gegen Berlin als neue Hauptstadt hätte. Engelmanns "Deutschlandreport" ist wie der Autor gestand, "ein böses Buch" - es schildert Dinge, die. sowohl bei Politikern als auch Bundesbürgern gerne in Vergessenheit geraten, so zum Beispiel die Tatsache, daß in der Bundesrepublik rund 10 Millionen Arme leben. Laut Engelmann hätten Armut und Reichtum aber nicht immer mit Geld allein zu tun. Mit seinem Buch wolle er ferner hartnäckige Vorurteile, wie "Deutschland - das Land der Sauerkrautfresser und Biertrinker", auslöschen und die Illusionen der Wiedervereinigung nehmen. Es gäbe aber in Deutschland nicht nur Negatives, zu verbuchen, so die Meinung des Autors. Vor allem die Emanzipation der Frau und die zahlreichen Bürgerinitiativen der letzten Jahre hob er lobenswert hervor. In einer anschließenden Diskussion stand Engelmann dem interessierten Publikum - vom Schüler bis zum Senioren, vorn Alternativen bis zum Bürgerlichen- Rede und Antwort und gab praktische Tips im Umgang mit Politik. "Wir haben eine tolle Verfassung", so Engelmanns Überzeugung - sie müsse nur endlich einmal angewandt werden. Der Gewerkschaftler und Sozialdemokrat Bernt Engelmann appellierte an die "Demokratie von unten".
Alexandra Petersen
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