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Kabarettabend mit Dieter Hildebrandt

Kabarettabend mit Dieter Hildebrandt
Samstag, 23. Februar 2013, 20 Uhr, Idar-Oberstein, Stadttheater



Rentner-Rap und tiefe Einsichten
Stehende Ovationen für Dieter Hildebrandt im Idar-Obersteiner Stadttheater

Von unserem Redakteur
Stefan Conradt

M Idar-Oberstein. Kaum zu glauben, dass dieser Mann im Mai 86 Jahre alt wird. Dieter Hildebrandt, der Übervater des politischen Kabaretts in Deutschland, präsentierte im (innerhalb kürzester Zeit) ausverkauften Stadttheater Idar-Oberstein messerscharf analysierend, intelligent und bissig wie eh und je sein aktuelles Programm „Ich kann doch auch nichts dafür“.

Neun Jahre ist es jetzt her, dass Hildebrandt den „Scheibenwischer“ abgab – sehr zum Bedauern vieler Fans. Die kommen jetzt zuhauf in Hallen und Theater, wenn der Wahl-Münchner, der in Schlesien geboren ist, auf der Bühne genau da weiter macht, wo er 2004 zur Hauptsendezeit in der ARD aufhörte: den Reichen und Mächtigen auf die Füße zu treten, ihnen ihre Fehler und Dummheit(en) vor Augen zu halten.

Ist das jetzt eine Lesung oder doch Kabarett der alten Schule? Bei Hildebrandt ist das Wurst. Auch da ist dann schon mal Pferd mit drin. Denn Aktuelles packt der Meister der Improvisation täglich mit in sein Programm, kokettiert damit: „Das wollt ich noch sagen, bevor ich anfang…“ Und so gerät der Teil vorm Anfang zur abendfüllenden Unterhaltung. Zuerst erzählt er von seiner abenteuerlichen Reise mit der Bahn an die Nahe und vermutet, dass Idar-Oberstein früher von feindlichen Übergriffen verschont geblieben sei, „weil es nicht gefunden wurde“.

Doch dann wird es tagesaktuell: Da bekommt Brüderle („Da wird das Hirn ausgeschaltet, und ein außerparlamentarisches Organ übernimmt die Macht“) ebenso sein Fett weg wie die Regierungschefin, die Piraten, die verhinderten Berliner Flughafenbauer oder seine Wahlheimat, in der er seit mehr als 49 Jahren wählt: „Ich hab noch nie gewonnen.“ Bayern habe „hervorragende politische Köpfe, aber leider keine Wähler dafür…“

Hildebrandt sinniert darüber, warum Angela Merkel partout gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei ist und stattdessen eine „privilegierte Partnerschaft“ bevorzugt. „Was ist das denn? Ich glaube, das ist so, als wenn man zu seiner Partnerin sagt: Ich würde dich ja heiraten, wenn du schöner wärst.“

Für Berlin wünscht sich der Meister des unvollendeten Satzes ein „Phrasen-Flensburg“ („Wer 18 Punkte hat, muss eine Woche schweigen“) und die Möglichkeit der „Hirnspende“ – und entwickelt daraus auch gleich ein neues TV-Format ähnlich wie bei der Sky-Fußball-Konferenz: „Niere in Köln!“. Überhaupt das Fernsehen: Es ist eine Fundgrube für den Alt-Kabarettisten. Er habe nichts gegen die Events in großen Hallen mit all den Barths und Silbereisens – nur, wenn er dann dran denkt, dass all die Menschen da auch wählen dürfen…

Am witzigsten ist Hildebrandt, wenn er sein (handschriftliches) Redemanuskript beiseite schiebt und über die TV-Gewohnheiten von „meiner Frau Renate und mir“ erzählt. Schon früh am Morgen sitze man vorm Fernseher und schaue den „Skischießern“ zu: „Da kommt dann einer unten rechts auf den Bildschirm und läuft links wieder raus. Und dann noch einer. Manchmal kommen sogar zwei…“ Noch spannender sei aber die Formel 1: „Die fahren da 80-mal im Kreis rum, immer wieder, und keiner weiß, wer in Führung liegt. Und dann sagt’s der Moderator endlich. Und dann biegt der zum Tanken ab. Konnte er das nicht vor dem Rennen machen?“ Witzig auch, wenn Hildebrandt auf die eigentliche Wortbedeutung bei der Sportfachsprache eingeht: „Ausscheidungs-Rennen. pfui Deibel…“

Im Zugabenteil setzt der Gründer der Lach- und Schießgesellschaft noch einen drauf und rappt ein Lied im Stil der jungen Generation – mit Tanzeinlage am Krückstock: „Wo ich geh, wo ich steh', rappen Deppen diesen Schmäh, den ich meistens nicht versteh. Leise flehen meine Glieder: Singt doch meine Lieder wieder.“

Am Ende wird das Kabarett-Fossil mit stehenden Ovationen verabschiedet. Minutenlang. Hildebrandt genießt es sichtlich, kommt noch ein zweites Mal auf die Stadttheater-Bühne, um zu demonstrieren, dass das mit dem Stock nur dramaturgisch bedingt war. „Ich kann noch wunderbar gehen, meine Frau nimmt mich manchmal mit auf Spaziergänge. Und die Enkel sagen: Bleib doch mal sitzen, du hinterlässt eine Kalkspur.“ Um sich dann köstlich über Walkerinnen und Fitness-Wahn lustig zu machen, zitiert Hildebrandt aus einem Walking-Buch: „Zuerst kommt die Grundstellung. Die kenn ich noch von der Wehrmacht…“

Wie gut der 85-Jährige tatsächlich noch auf den Beinen ist, zeigt er dann noch mal, als er gemeinsam mit seinem Manager die Treppe zum Bühnenaufgang hinunter eilt, die Menge am Ausgang des Stadttheaters überholt, um anschließend am umlagerten Stand der Buchhandlung Schulz-Ebrecht seine Werke zu signieren: „Die Leute wollen, dass ich da meinen Namen reinschreibe. Dabei steht er ja eigentlich schon drin.“

Z Für Montag, 29. April, hat der Kulturverein Die Schnecke das nächste Highlight in der Planung: Dann kommt der Kabarett- und Pianist Hagen Rether, Träger des Deutschen Kleinkunstpreises 2008 und des Deutschen Kabarettpreises 2010, ins Stadttheater.

Nahe Zeitung vom Montag, 25. Februar 2013