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Sprachgenuss und Hörerlebnis Literatur Bodo Kirchhoff las auf Einladung des Kulturvereins „Schnecke“ Von unserem Reporter Jörg Staiber
M Idar-Oberstein. Seinen hochgelobten Roman „Die Liebe in groben Zügen“ stellte der bekannte Schriftsteller Bodo Kirchhoff auf Einladung des Kulturvereins „Die Schnecke“ in der Aula des Heinzenwies-Gymnasiums vor. Gut 40 Besucher erlebten einen spannenden Leseabend, in dem sich Kirchhoff als geschickt und temperamentvoll dramatisierender und akzentuierender Interpret seines eigenen Werkes zeigte. Seine wirkungsvolle Art des Vortrags verdoppelte den Genuss an den vielen klugen Gedanken, sensiblen Beobachtungen und brillanten Formulierungen und machte zum einen seinen niemals zufälligen, sondern stets bewusst gestalteten und immer im Dienste des Erzählten stehenden Sprachrhythmus hörbar. Sie baute nicht zuletzt mit ihrer sinnlichen Sinnhaftigkeit auch die Brücke zum Verständnis der Botschaft seines Romans. Dreh- und Angelpunkt des Romans ist die Ehe von Vila und Renz, eines gut situierten, linksintellektuellen Ehepaars aus der Medienbranche mit großer Altbauwohnung in Frankfurt, Ferienhaus in Italien und erwachsener Tochter. Diese Ehe wird gegengeschnitten zu Franz von Assisis' Beziehung zur heiligen Klara. Vila verliebt sich einen entlassenen Lehrer, der ein Buch über den Kirchenvater schreiben will, Renz in eine krebskranke Frau, was sein Gefühlsleben um einen sich selbst verliehenen Heiligenschein bereichert. Kirchhoff spürt dem überaus unterschiedlichen Umgang mit diesen Affären nach, den dahinter stehenden Sehnsüchten und Bedürfnissen, aber auch der warmen Sicherheit einer langjährigen Ehe, den vertrauten Rituale, der geheimen Beziehungssprache, die kein anderer versteht, den gemeinsamen zur Lebensgeschichte geronnenen Geschichten und Erlebnissen. Schon die wenigen Passagen, die Kirchhoff aus dem 670 Seiten starkem Werk liest, zeigen die hohe sprachliche Kunst, das geschickte Ineinanderweben der unterschiedlichen Handlungs- und Erzählebenen. Gute Bücher fallen nicht vom Himmel, sie sind das Ergebnis harter und oftmals auch frustrierender Arbeit. Das wurde in der an die Lesung anschließenden Gesprächsrunde deutlich. Sechs Jahre habe er an diesem Roman gearbeitet, berichtete Kirchhoff. Sieben Fassungen seien dabei entstanden. Auf die unumgängliche Frage, wie viel eigene Persönlichkeit in den Romanfiguren stecke, erklärte der Autor, dass man nur glaubwürdige und lebendige Geschichten erzählen könne, wenn die Figuren auch echt und lebendig seien und man sie wirklich gut kenne. Allerdings verteile sich seine eigene Persönlichkeit auf eine ganze Reihe von Romanfiguren. Wiederholt wies Kirchhoff auch auf seine Schreibseminare hin, die er in seinem Haus am Gardasee abhält, und in denen er versuche, den Teilnehmern das zu vermitteln, was auch für seine Arbeit gelte: „Die Begabung zum Schreiben ist die Begabung, offen und weich zu sein.“ „Bodo Kirchhoff gehört zu den wenigen zeitgenössischen Autoren, die auf hohem sprachlichen Niveau auch aktuelle Themen aufgreifen“, hatte der Schnecke-Vorsitzende Axel Redmer zur Einführung in die Veranstaltung erklärt. Und dass es eigentlich schon lange einmal an der Zeit gewesen sei, Kirchhoff einzuladen und nach Idar-Oberstein zu holen. Bleibt für die heimischen Literaturfreunde zu hoffen, dass es nicht das letzte Mal war. Der Autor scheint nicht abgeneigt zu sein. „Ich habe mit meiner Frau hier sehr gut gegessen“, meinte er am Ende der Lesung. Nahe Zeitung vom Mittwoch, 30. Oktober 2013, Seite 17
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