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Diskussion mit Arno Lustiger
"Der Widerstand der Juden gegen die Nationalsozialisten"
18.05.2005, 20.00 Uhr


Nahe Zeitung vom 23.05.2005
Widerstandskämpfer wollten "wenigstens die Ehre" retten
Professor Arno Lustiger referierte beim Kulturforum "Die Schnecke"

IDAR-OBERSTEIN. Knapp 100 Besucher waren zur dritten Zeitzeugenveranstaltung des Kulturforums "Die Schnecke" in die Aula des Gymnasiums an der Heinzenwies gekommen. Professor Arno Lustiger referierte über den jüdischen Widerstand in den Jahren 1933 bis 1945.
"Es gab jüdischen Widerstand gegen Nazi-Deutschland und nicht nur wehrlose, duldende Opfer", sagte Axel Redmer, Landrat und "Schnecke"-Vorsitzender, als er den Referenten vorstellte. In ihm habe man einen sowohl emotional wie wissenschaftlich engagierten Zeitzeugen, denn Lustiger war während des Weltkrieges im Bedziner Untergrund (Polnisch-Oberschlesien) aktiv. Er überlebte zwei Todesmärsche und Gefangenschaft in drei KZs. Im Mai 1945 gelang ihm die Flucht.
"Nur wenige Historiker haben sich mit dem jüdischen Widerstand in Deutschland und Europa beschäftigt", sagt der 81-jährige Ehrenpräsident der "Zionistischen Organisation in Deutschland" und Ehrendoktor der Universität Potsdam. Aber es habe diesen Widerstand in "eindrucksvoller" Weise gegeben - trotz der Macht und Kriegserfolge der Deutschen, trotz des Fehlens von Waffen und trotz einer feindlich eingestellten, das Regime überwiegend akzeptierenden Bevölkerung.
Vor allem konspirative Presse- und Flugblattarbeit war es, die in Deutschland von diversen Widerstandsgruppen wie der "Herbert-Baum-Gruppe", aber auch der zionistischen Untergrundorganisation "Chug Chaluzi", der Rettungsaktion "Hechaluz" oder der jüdisch-christlichen "Gemeinschaft für Frieden und Aufbau" geleistet wurde. Aufschlussreich sei, dass die ehemalige DDR, soweit die Aktionen gemeinsam mit kommunistischen Gruppen durchgeführt worden waren, dies nicht einem "jüdischen", sondern stets dem "kommunistischen" Widerstand zurechnete.
Nur im Ausland möglich
"Wirklicher" Widerstand - so Lustiger - sei jedoch im Wesentlichen nur aus oder im Ausland möglich gewesen, obwohl insgesamt "der gesamte europäische Widerstand den Krieg nicht verkürzt hat". So sei es zum Teil auch nur darum gegangen, wenigstens "die Ehre" zu retten.
Nennenswerte Erfolge habe es durch Sabotageakte in Weißrussland und durch Partisanenangriffe in Jugoslawien und Bulgarien gegeben. 6000 jüdische Freiwillige kämpften im Spanischen Bürgerkrieg an der Seite der Republikaner. Fluchthilfeorganisationen in Frankreich retteten gemeinsam mit Pfadfinderorganisationen und mit Hilfe des Klerus 85 Prozent der jüdischen Kinder. 30 000 deutsche Juden, denen die Auswanderung nach Palästina gelungen war, meldeten sich zu Kriegsbeginn in die britische Armee. In Italien kämpfte eine jüdische Panzerbrigade, deren Offiziere später Generäle in der israelischen Armee wurden.
"Einige Historiker leugnen oder verleumden den jüdischen Widerstand", sagt Lustiger. Es sei aber durch Dokumente nachweisbar, dass selbst Feinde des Judentums, Hans Frank etwa, der deutsche Generalgouverneur in Polen, oder Heinrich Himmler, die Kampfkraft der Juden beispielsweise im Warschauer Ghetto-Aufstand als "außerordentliche Gefahr" ansahen.
40 Jahre geschwiegen
In der anschließenden Diskussion gab Arno Lustiger Antwort auf Fragen zu Israel, zu seiner Verwandtschaft mit dem Kardinal von Paris und zu seiner eigenen Biographie. Ob er keine Bitternis oder gar Verzweiflung verspüre, wurde er gefragt. "Ich habe nach 1945 lange geschwiegen", sagte Lustiger nachdenklich. "Ich war nicht imstande, zu irgend jemandem über meine Erlebnisse zu reden. Es dauerte 40 Jahre, bis ich fähig war zu forschen, zu recherchieren, zu schreiben..." (ed)

In der Aula des Heinzenwies-Gymnasiums sprach Professor Arno Lustiger über den europäischen jüdischen Widerstand in der Zeit von 1933 bis 1945. Foto: Hosser