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Nahe Zeitung vom 26.11.2005 Auf der Suche nach Zimmer 411 "Scheißhaus-Sepp" Sigi Zimmerschied: Feinsinn trotzt Fäkalhumor
IDAR-OBERSTEIN. Die Besucher, noch in Erwartung eines vergnüglichen Abends, werden kurzerhand als Statisten zwangsrekrutiert. Nur langsam beginnt es den etwa 100 Kleinkunstfreunden im Idar-Obersteiner Stadttheater zu dämmern, welche Rolle der Typ in T-Shirt und zerbeulten Hosen spielt, der sich auf der Suche nach einem ominösen Zimmer 411 durch die Reihen drängelt...
Sigi Zimmerschied ist Josef Lana. Kein Schauspieler kann eindrucksvoller in einer Rolle aufgehen wie der Passauer Kabarettist in seinem aktuellen Programm als Scheißhaus-Sepp. Als Kleinunternehmer und Erbe einer einst florierenden öffentlichen Bedürfnisanstalt steckt er heute bis zum Hals in Schulden und muss in Amtsstuben um Steuerstundung und Gebührenerlass betteln.
Doch die Beamten entdecken Sepps wahres Talent, machen mit ihm einen Handel: Als Spaßmacher soll er auf den Behördenfluren die Wartenden unterhalten. Für Pointen gibt"s Punkte, für 120 Punkte das ersehnte Antragsformular. Ein roter Faden, aus dem Zimmerschied einen ganzen Kosmos und immer neue Nebenwelten strickt...
Von glorreichen Tagen, als Vater Lana sein anrüchiges Imperium gründete, bis in die Neuzeit, in der Bruder Klausi handsignierte Mahnbescheide auf dem Flohmarkt verhökert und Jugendliebe Susi versucht, die vom Aussterben bedrohte Tibetanische Steinmaus zu retten, reichen die Geschichten. Abschweifungen in die bayerische Landespolitik und den Vatikanstaat inklusive.
Schlaglichtartig werden ein halbes Jahrhundert deutscher Sozialpolitik und Gesellschaft beleuchtet, Hartz IV und Erwin Huber mit seiner bajuwarischen Leitkultur angeprangert, endlos zwischen Urinal und Kloschüssel philosophiert.
Als Josef Lana heischt Zimmerschied nach (Punkte bringenden) Pointen, als Kabarettist geht er geradezu verschwenderisch mit Wortwitz um, überhäuft sein Publikum mit beinharten Sprüchen und atemberaubenden Gedankengängen. Lässt darum letztlich auch verschmerzen, dass der eine oder andere Satz mit allzu viel alpenländischem Idiom auf Unverständnis stößt oder im Redeschwall untergeht.
Der Bayer mag`s deftig: Zimmerschied scheut sich nicht vor Fäkalhumor, denn er beweist Feinsinn auf andere Weise. In Mimik und Körpersprache beispielsweise beeindruckt 52-Jährige wie kein zweiter seines Genres. Rastlos tigert er zwischen dem Tischchen mit seinem Manuskript und dem rücklings aufgestellten Stuhl auf der anderen Bühnenseite, springt, schreitet, kriecht auf Knien ("Amtsleiter mögen die Haltung"), triumphiert endlich als "Amtskomiker mit Lachfaktor 120" und hält dieses Rollenspiel bis zur letzten Zugabe durch. Das Idar-Obersteiner Publikum applaudiert lange, freundlich und, fast glaubt man"s zu hören, nachdenklich. Klaus-Peter Müller
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