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"Einsamkeit"
Lesung mit Gabriele Wohmann
13.12.1982, 19.30 Uhr
Idar-Oberstein, Göttenbach-Aula

Nahe-Zeitung, 21.12.1982
Sie zeigt die kleinen Gräßlichkeiten

Die ARD beginnt du Abendprogramm mit dem dritten Teil der Serie "In Frankreich notgelandet", das ZDF präsentiert "Hits mit Witz", in Idar-Oberstein tagt der Stadtrat. In Birkenfeld proben die Sänger, in Baumholder turnen die Hausfrauen... Im Neubau der Göttenbach versammeln sich. eingeladen vom Kulturverein "Die Schnecke" 130 Menschen, 30 mehr als tags zuvor beim Fußballspiel zwischen Ludwigshafen und Birkenfeld, um die Darmstädter Schriftstellerin Gabriele Wohmann zu erleben.
Sie setzt sich vorn Mikrofon, meistert Ihr Lampenfieber, indern sie darüber spricht und liest mit klarer, fester Stimme aus ihrem Erzählband "Einsamkeit" die Erzählungen "Tönungswäsche", "Tiefe Not" und "Ach: Männer!".
Klatscht man nun bei "Dichterlesungen" oder klatscht man nicht? Du Idar-Obersteiner Publikum jedenfalls klatscht nicht und so sagt Gabriele Wohmann: "Also irgendwie spüre ich einen Resonanzmangel, daher auch die Brüchigkeit meiner Stimme am Schluß, - das ist ja alles psychogen." Schon mit diesen Sätzen bestätigt sie, daß sie, wenn auch "nicht vordergründig politisch" wirkend, keine unpolitische Person ist.
Ergebnis ihrer Sensibilität: die Vorlesezeit wird kürzer als vorgesehen, das Gespräch mit ihr dafür länger.
Mehr als 20 Leute stellen nun Fragen, äußern Zweifel, haken nach, finden bestimmte Formulierungen besonders gelungen (.Zu dem Kater, den ich mir für morgen einhandle, werde ich voll Ja sagen, beschloß sie jetzt schon"), bedauern, daß an manchen Stellen nicht gelacht wurde, -tadeln, daß Fragesteller belächelt' wurden, vermissen das Weibliche. In den Werken des weiblichen Gastes und wollen lobenswerte Neugier - wissen, wann Gabriele Wohmann schreibt lieber im Herbst oder lieber im Frühjahr, warum sie schreibt was sie bewirken will, welche Rolle das Lesen spielt fürs Schreiben, was sie von Feministinnen hält und wie sie zur Friedensbewegung steht.
Mitunter kommt es vor - so Gabriele Wohmann nach der Veranstaltung - daß sie bei ihren Auftritten die Fragen selber stellen muß; hier In Idar-Oberstein bei der Schnecken-Veranstaltung und beim Schnecken-Publikum kann sie sich darauf konzentrieren, aufschlußreiche Antworten zu geben.
Feministinnen? Friedensbewegung? ,Ich bin froh, daß es sie gibt Man kann gar nicht rebellisch genug sein gegenüber den bestehenden , Verhältnissen." Aber sie stellt auch klar: "Man muß selbst rauskriegen, wozu man fähig ist." In allen Gruppen, In Bewegungen" besonders,. beschleiche sie ein Gefühl von Nicht-Identität". Sie schreibe nun mal, wesentlicher Antrieb dabei sei ein "starkes Bewußtsein der Vergänglichkeit", allerdings gestatte sie es dem Leser nicht die Welt durch einen "Filter der Harmonisierung" zu sehen.
Worauf beruht der Erfolg der Schriftstellerin Gabriele Wohmann, die - nach eigenem Bekunden - mit ihrem Schreiben Ihrem Ehemann ermöglicht einen ungeliebten Beruf - Lehrer - nicht mehr ausüben zu müssen?
Nun, so wie wir die Menschen bitter nötig haben , die sich nicht mit einem bißchen. Frieden zufrieden geben, brauchen wir auch jemanden, der für uns die "kleinen Gräßlichkeiten" des Alltags unbestechlich und unerbittlich protokolliert zum Beispiel so: Eigentlich war für jemanden mit chronischer Sinusitis eine Kränkung etwas Willkommenes, eine schleimlösende Angelegenheit und so plante Edna jetzt schon, sich in circa zwei Stunden, wenn es Nacht war, zum Weinen im Bett aufzusetzen".

Werner Schäfer