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Nahe-Zeitung, 07.10.1985 Wanderer auf hartem Beton
Wenn Hein und Oss von den Gedanken singen, die frei sind, lassen sie die "harmlose" dritte Strophe nicht aus. Jene acht Zeilen, in denen "bloß" von Wein, Weib und Gesang die Rede ist. - Der Ton aus stolzgeschwellter Brust sei nämlich auch ein Zeichen aufrechten Bürgertums. Ein Recht, das nicht allein auf Männer beschränkt sein dürfe. Und Wein gehöre halt immer dazu, wenn man sich in ihrer Pfälzer Heimat einen guten Abend mit Freunden mache.
Es war ein Abend unter guten Freunden, dieser Auftritt der Kröher-Zwillinge in der Göttenbach-Aula. Fast erübrigt es sich über die Sanges-Zwillinge aus Pirmasens viele Worte zu verlieren. Für sie hat sich wenig geändert seit jenen Tagen der legendären Folk-Festivals auf der Burg Waldeck im Hunsrück. Hein und Oss haben graue Haare bekommen, bei ihren Reisen und Stöbern in Liederbüchern etliche "neue" alte Volkslieder entdeckt und sich anderen brennenden Themen ihrer Umwelt angenommen.
Giftgas im Pfälzer Wald und anderswo, das wachsende Grau des Betons und der Abfall, der überhand nimmt in Tonne und Hirn sind heute Inhalt ihrer Lieder.
Dazwischen immer wieder "Klassisches". das Bürgerlied von 1844, Brecht Songs oder Arlo Guthries "Good Morning America".
Die Mischung ist perfekt und bekannt Der Aufforderung zum Mitsingen (- . . denn diese Lieder sind Gemeingut, wir dürfen sie nicht dem großen Blonden' überlassen") war da vielfach nicht nötig. Zumindest bei einigen, der nicht ganz hundert 'Besucher in der' Aula. Am Schluß der - in diesem Fall wirklich nicht enden wollende Applaus. So ist das halt mit guten Freunden: Auch wenn man sie genau kennt freut man sich immer auf ein Wiedersehen.
Und das versprachen Hein und Oss nach zwei anstrengenden Stunden auf der Bühne: Ein baldiges Wiedersehen. Vielleicht mit einem ganz anderen Programm. Eine Ankündigung, die nicht nur beim veranstaltenden Kulturverein "Die Schnecke" Freude auslöste.
Klaus-Peter Müller
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