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„Und weil der Mensch ein Mensch ist“ - Lieder aus Konzentrationslagern und dem Widerstand 1933-1945 Freitag, 15.04.2016, 20 Uhr, Göttenbach-Aula Idar-Oberstein
Die Grenzgänger präsentieren lang vergessene Lieder Konzert Band lässt Volksmusikerbe aufleben
Von unserem Mitarbeiter Erhard Hahn
Idar-Oberstein. „Wenn wir schon zu den Kinder-Kultur-Tagen einen solchen musikalischen Hochkaräter in der Stadt haben, dann nutzen wir das aus“, antwortete Sabine Moser vom Stadtjugendamt auf die Frage, warum es auch eine Abendveranstaltung mit den Grenzgängern im Rahmen des Festivals gibt. Eine Entscheidung, die richtig war. Denn der Auftritt der Grenzgänger in der Göttenbach-Aula in Oberstein, bei dem auch die Vereine Schalom und „Die Schnecke“ Mitveranstalter waren, war ein echter Leckerbissen, der mehr als die rund 70 Besucher verdient gehabt hätte. Am Morgen waren im Übrigen in der Aula des Göttenbach-Gymnasiums in Weierbach 300 Schüler, um sich das Programm „Und weil der Mensch ein Mensch ist“ anzuhören. Die Grenzgänger, das sind der in Idar-Oberstein von Zaches und Zinnober her bekannte Michael Zachcial (Gesang, Gitarre), Frederic Drobnjak (Gitarre), Felix Kroll (Akkordeon) und Cellistin Annette Rettich. Die Gruppe, die unter anderem als Erfolge den deutschen Schallplattenpreis, den Deutschen Folk-Förderpreis (1995) und in der SWR-Liederbestenliste eine CD des Monats vorzeigen kann, hat sich dem deutschsprachigen Volksliederbe – nicht zu verwechseln mit sogenannter volkstümlicher Musik – gewidmet. Auf ihrem neuen Album „Und weil der Mensch ein Mensch ist“ interpretiert das Quartett Lieder, die in der Zeit der Naziherrschaft eine Bedeutung hatten. Es ist eine Hommage an Songschreiber, die im Widerstand gegen das Hitlerregime standen, und nicht selten in den Konzentrationslagern ums Leben kamen. Zachcial erzählt während des Konzerts die Entstehungsgeschichte der Lieder und gibt einen Einblick in das Leben der Komponisten. Dabei erinnert Zachcial nicht nur an jüdische Autoren wie Robert Gilbert und Richard Werner Heymann („Wir zahlen keine Miete“), sondern auch an Liedermacher aus der Arbeiterbewegung. Heute weniger bekannt ist, dass damals aus Sicherheitserwägungen zum Beispiel neue Texte zu bereits bekannten Melodien geschrieben wurden. Sehr interessant ist auch die Geschichte des ersten deutschen Welthits „Lili Marleen“. Die Grenzgänger präsentieren dieses Lied in der Originalfassung. Nicht nur bei diesem Hit zeigen sich die Grenzgänger als hervorragende Musiker. Frederic Drobnjak ist ein herausragender Gitarrist, der immer wieder gekonnte Soli einstreut. Toll ist auch das gemeinsame Zusammenspiel, das wie aus einem Guss wirkt. Nach zwei Stunden endete dann das lehrreiche, aber trotzdem kurzweilige Konzert mit dem Brecht/Eisler-Song „Und weil der Mensch ein Mensch ist“. Natürlich kam die Gruppe um Zugaben nicht herum. Diese hatten mit dem Hauptthema nichts zu tun. Der norddeutsche Klassiker „Dat du min Leevsten büst“ wurde vom Publikum gern mitgesungen. Und dass Ton, Steine, Scherben und Rio Reiser sehr schöne Lieder geschrieben haben, zeigte der letzte Song des Abends. Mit „Schritt für Schritt ins Paradies“ verabschiedeten sich die Grenzgänger dann endgültig von ihrem Idar-Obersteiner Publikum.
Nahe Zeitung vom Montag, 18. April 2016, Seite 26
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