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Laukhard-Predigt von Sylvia Schenk

Dienstag, 27.09.2016 , 19 Uhr, Evangelische Kirche Veitsrodt
Laukhard-Predigt von Sylvia Schenk,
ehemalige Vorsitzende des Bundes Deutscher Radfahrer und der deutschen Sektion von Transparency International

Schenk: Sport kann Mut und Hoffnung geben
Predigt Olympia lenkt blick auf Weltprobleme

Von unserem Redakteur Andreas Nitsch

Veitsrodt. Wer geglaubt oder gar gehofft hatte, Sylvia Schenk würde bei ihrer Laukhard-Predigt die grassierende Korruption im Sport verteufeln, wurde jäh überrascht. Auch wenn der Titel der Predigt „Und wer Geschenke gibt, hat alle zu Freunden – das Ringen um Integrität am Beispiel des Sports“ lautete, die Antikorruptionsexpertin Schenk behauptet: „Heute ist vieles besser geworden.“ Die Begründung liefert sie den knapp 100 Zuhörern in der evangelischen Kirche in Veitsrodt gleich mit: „Heutzutage lässt sich doch kaum etwas verheimlichen.“ Dies sei früher noch anders gewesen. Und weil eben so vieles ans Tageslicht komme, das falsch läuft, könne man gezielt gegensteuern.

Die Organisatoren – der Kulturverein Die Schnecke, der Kirchenkreis Obere Nahe, die Kreisvolkshochschule und die Friedrich-Christian-Laukhard-Gesellschaft – hatten ein glückliches Händchen bewiesen, als sie die einstige Weltklasse-Mittelstreckenläuferin im Mai einluden und das Thema festlegten. Kein Tag verging seitdem, an dem nicht Korruptions- und Dopingvorwürfe sowie Bestechungsaffären die Gazetten gefüllt haben.

Schenk, bis vor Kurzem noch Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer, ging zunächst aber auf die Chancen ein, die der Sport bietet, auf seine Wirkung. Erstmals habe sie diese Wirkung als 16-Jährige 1968 erfahren, als die afroamerikanischen Sprinter Tommie Smith und John Carlos bei den Olympischen Spielen in Mexiko während der Siegerehrung zum Protest eine Faust in die Höhe reckten. „Das hat mich sehr beeindruckt“, gibt Schenk zu und nennt weitere Beispiele, in denen auf Missstände in der Welt hingewiesen wurde.

Ohne die Vergabe der Fußball-WM nach Katar hätte die Welt kaum von der katastrophalen Situation der ausländischen Arbeitnehmer in dem Land erfahren. Ohne Olympia in Brasilien wären die Menschenrechte wohl nicht in dem Ausmaß thematisiert worden. „Sport kann den Blick der Welt auf Probleme lenken“, sagt Sylvia Schenk – auch wenn aus dem olympischen Traum schnell ein furchtbarer Albtraum werden könne, wie sie 1972 als 20-jährige Olympiateilnehmerin bei den Spielen in München feststellen musste.

Doch in erster Linie könne der Sport, könne Olympia Mut machen und Hoffnung sein. Voraussetzung sei, dass man den Blick öffnet, um auf andere Regionen zu schauen, und erkennt, „dass auch bei uns nicht alles so läuft wie es soll“. Dies habe jüngst auch der DFB (Deutscher Fußballbund) feststellen müssen. Dessen Vorzeigefußballer, Franz Beckenbauer, sieht sich ebenfalls mit Bestechungsvorwürfen konfrontiert – und wird von Schenk beinahe sogar in Schutz genommen. „Beckenbauer ist in einer anderen Zeit, in einer anderen Welt aufgewachsen und groß geworden“, betont sie. Sein ganzes Leben lang seien Geschenke für den Superstar, „der als 18- oder 19-Jähriger durch die Decke geschossen ist“, an der Tagesordnung gewesen. „Oder glauben Sie, Beckenbauer hätte auch nur einmal in einem Restaurant irgendwo bezahlen müssen?“, fragt sie.

Wobei sich auch die Frage stelle, wo Bestechlichkeit anfange. 1996 etwa war Ausgangskorruption (Bau-, Elektro- oder Chemieunternehmen zahlen im Ausland Schmiergelder, um an große Aufträge zu gelangen) nicht nur nicht strafbar. Diese Bestechungsgelder konnten sogar noch als Werbungskosten von der Steuer abgesetzt werden. Erst 1998 wurde Korruption unter Strafe gestellt. „Der sport hinkt nur etwas hinterher.“

Auch die Bedeutung von Freundschaft und Kameradschaft beleuchtete Sylvia Schenk. Gerade beim Doping stoße man gegen eine Mauer des Schweigens. „Die Tour de France wurde erstmals 1903 gefahren. Schon damals waren die Strapazen so unermesslich, dass sie nicht ohne entsprechende Mittel zu bewältigen waren“, sagt Schenk. Doch ein Ehrenkodex habe stets verhindert, dass Praktiken wie die Einnahme von Anabolika und Epo öffentlich wurden. Insofern habe sich bis heute vieles verbessert, weil es Punkte gebe, bei denen man ansetzen könne. Vor allen Dinge dürfe man nicht die Augen verschließen und denken: „Bei uns ist ja alles gut – ist es nämlich nicht.“

Nahe Zeitung vom Donnerstag, 29. September 2016, Seite 19