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Nahe-Zeitung, 23.01.1996 "La Roche Quartett" begeisterte Zuhörer in der Göttenbach-Aula Ganz ohne Zweifel virtuos Kompositionen von Naziopfern - Wertvolle Werke wiederentdeckt
IDAR-OBERSTEIN. Die Sorge um die winterlichen Straßenverhältnisse mag manchen vom Besuch des Konzertes mit dem La Roche Quartett abgehalten haben. Anders läßt sich die bescheidene Besucherzahl in der Göttenbach-Aula wohl nicht erklären, geht doch dem Ensemble nicht erst seit dem Gastspiel vor zwei Jahren in Idar-Oberstein ein ausgezeichneter Ruf voraus.Den Initiatoren des Kulturforums "Die Schnecke", die in Verbindung mit dem Städtischen Kulturamt das diesjährige Konzert ausrichteten, sei jedenfalls bescheinigt, daß die Wiederverpflichtung dieses Quartetts ein außerordentlich guter Griff war. Es war weniger die über jeden Zweifel erhabene Virtuosität der vier Musiker, die dieses Konzert ausmachten, vielmehr das Anliegen, sich neben der Pflege des klassisch-romantischen Repertoires auch ältere und neuere Komponisten, die aus dem gängigen Konzertbetrieb - trotz ihrer Qualität - bisher weitgehend ausgegrenzt waren, hochzuhalten. Die Wiederentdeckung wertvoller Werke von Komponisten, die während der unseligen Nazizeit in Konzentrationslager gebracht und dort ermordet wurden, ist zum großen Teil dem La Roche Quartett zu verdanken. Mit Etienne Plasmann, Flöte, Sarah Kokich, Violine, Jan Kokich, Bratsche und Vincent Gerin am Violoncello waren vier begnadete Künstler am Werk, die ihr spezielles Engagement deutlich spürbar vermittelten. Sehen wir das Flöte Quartett D-Dur Op. 2 Nr. 5 von Tommaso Giordani, das Trio Nr. 1 mit dem Allegrosatz für Violine, Bratsche und Cello von Franz Schubert, sowie das dreisätzige Quartett von Wolfgang Amadeus Mozart nach dem Köchelverzeichnis 285 als hervorragend zelebriertes "Beiwerk", so bleibt von diesem Konzert das nachdrückliche, zumeist tiefbeeindruckende Erleben, das gerade die Kompositionen der Naziopfer vermittelten.
Resignation verdeutlicht Ruth Schonthal, die hochbetagt ihren Lebensabend in New York verbringt, komponierte "Vier Epiphanien" für Solobratsche. Unverkennbar der neoklassizistische Einfluß Paul Hindemiths, dessen Schülerin Ruth Schonthal war. Jan Kokisch vermittelte mit seinem Spiel das Gefühl der Zerrissenheit zwischen Hoffen und Bangen der Inhaftierten und drückte mit leicht verzögernden Bogenstrichen das Wehklagen, das Verzagtsein einer gemarterten Seele aus. Sehr jung schon, mit 26 Jahren, mußte Gideon Klein in Auschwitz sein Leben hingeben. Sein Trio für Violine, Bratsche und Cello komponierte er im Herbst 1944 in Theresienstadt, bevor Auschwitz den Schlußpunkt setzte für ein Leben, das höchstwahrscheinlich ein weitgefächertes kompositorisches Schaffen bereitgehalten hätte. Hans Krasa, der 45 Jahre alt wurde, komponierte, ebenfalls 1944 in Thersienstadt, "Tanec" (Tanz) für Violine, Bratsche und Cello. Auch hier - wie bei Gideon Klein - herrschte der klagende Unterton vor, der das triste Dasein und schließlich Resignation deutlich machte. Klangen bei Gideon Klein Variationen über ein mährisches Volkslied auf, entstanden bei Hans Krasa hingegen zuweilen Visionen eines Totentanzes. Erwin Schulhoffs Konzertstück für Flöte, Bratsche und Cello aus dem Jahr 1926 mit den Sätzen Andante con moto, Furiant, Andante und Rondino hingegen, atmete gänzlich anderes Erleben. Da glänzte unbeschwerter, zeitgenössisch beeinflußter Kompositionsstil mit reich gestufter Dynamik auf, dem insbesondere Etienne Plasmann mit Quer- und Piccoloflöte faszinierenden, agilen Schwung verlieh. Sarah Kokich an der Violine und der Cellist Vincent Gerin rundeten ein in allen Phasen mit thematisch-motivischer Feinarbeit zustande gekommenes Klangbild hervorragend ab. Minutenlanger Beifall drückte den Dank eines tief beeindruckten wie auch begeisterten Publikums aus. Das Quartett dankte seinerseits mit einer Zugabe. Jacob Heuser
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