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Nahe-Zeitung, 30.09.1996 Er sann dennoch nie auf Rache Aber die Empörung ist noch heute zu spüren - Sally Perel erzählte
IDAR-OBERSTEIN. Wie er vorne an seinem Lesungstisch sitzt, klein, grauhaarig und ein bißchen rundlich, mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen, kann man sich kaum vorstellen, daß es ihm im Dritten Reich gelungen ist, dem Holocaust zu entgegehen: er hatte vorgegeben, Reichsdeutscher zu sein. Sally Perel, der auf Einladung der "Schnecke" und des Vereins "Shalom" aus seinem Buch "Hitlerjunge Salomon" las, wurde 1925 in Peine als Sohn frommer Juden geboren. Er verlebte nach eigenen Angaben die ersten zehn Kinderjahre wie in einem wunderschönen Traum, obwohl die Machtübernahme Hitlers schon in seinem achten Lebensjahr stattfand. Doch zwei Jahre lang verdrängte er alle drohenden Zeichen.
Schule verlassen Nach dem Erlaß der Nürnberger Rassengesetze gab es das erste, nach eigener Schilderung sehr traumatische Erlebnis für ihn. Er mußte, als erfolgreicher und beliebter Schüler, aufgrund seiner jüdischen Herkunft die Schule verlassen. Perel erzählt diese Erlebnisse mit ruhiger Stimme, doch die Empörung über diese Herabsetzung ist auch heute noch deutlich zu spüren. Und das Unverständnis, daß sich so viele Menschen damals zu inhumanen Handlungen verführen ließen. Nach der Schilderung verschiedener Stationen ihrer Flucht vor den Nazis, in deren Verlauf er und sein älterer Bruder sich in Lodz auf Geheiß der Eltern vom Rest der Familie trennten, schildert er die Hauptquelle seiner Kraft, die er zum Überleben brauchte. Er befolgte die Abschiedsworte seiner Mutter, die ihm sagte: "Sally, mein Sohn, du sollst leben". Das Gebot des Vaters: "Vergiß nie wer du bist", konnte er dagegen nicht befolgen. Da er sich nach dem Einmarsch der Deutschen in Rußland darauf gefaßt machen mußte, daß eine Entdeckung seiner jüdischen Abstammung seinen sofortigen Tod zur Folge hätte, gab er sich bei seiner Ergreifung als Volksdeutscher aus, und schaffte es, diese Lüge über vier Jahre, bis zum Kriegsende, aufrecht zu erhalten. Die innere Zerrissenheit, die aus dieser Situation entstand - er mußte mit allen Kräften zum Deutschen Joseph, Jupp genannt, werden, um sein Leben zu retten - läßt ihn bis heute nicht los. Man spürt diesen starken inneren Konflikt, der es ihm lange Zeit unmöglich machte, seine Erlebnisse zu Papier zu bringen. Er beschreibt diese Zerrissenheit als "zwei Seelen in seiner Brust". Während seiner Zeit auf der HJ-Schule in Braunschweig fühlte er sich oft als Deutscher, gleichzeitig aber als Jude, der die Rassengesetze lernen und die Verfolgung seiner Glaubensgenossen ohne Regung ertragen mußte, um sein Leben zu retten. Motivation zu seinen Vortragsreisen in Deutschland schöpft er aus den Reaktionen der jungen Leute, denen er Abscheu gegen Rassismus und Demagogie einimpfen will, damit nie wieder eine solche Verführung zur Unmenschlichkeit entstehen kann. Und auch in der mit rund hundert Zuhörern gut besetzten Göttenbach-Aula waren viele Jugendliche unter jenen, die dem eindringlichen Vortrag Sammy Perels lauschten, der nie auf Rache, sondern auf eine Wahrung des Friedens aus ist.
Enttäuschender Kontakt Kontakte mit ehemaligen deutschen Soldaten der 12. Pommerschen Panzerdivision verliefen für ihn sehr enttäuschend, wie er bei der anschließenden Diskussionsrunde schilderte. Sie hätten kein Zeichen der Reue erkennen lassen, sondern behaupteten, sie hätten sich die Hände nicht beschmutzt. Doch Sally Perel mußte damals mit eigenen Augen die Folterungen, Erniedrigungen und das Aussondieren der Juden erleben. Die aktuelle politische Lage in Israel bewertete Perel als problematisch, da Ministerpräsident Netanjahu zwar Frieden möchte, aber nicht bereit sei, mit den Palästinensern zu verhandeln. Ellen Franzmann-Conradt
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