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Nahe-Zeitung, 16.01.1998 Michail Gorbatschows Prinzipienlosigkeit führte nach Auffassung seines früheren Beraters Valentin Falin zum Ende der Sowjetunion Ausverkauf russischer Interessen Der einstige Botschafter in Bonn redete in Neubrücke Klartext: "Eine gerechte Idee wurde verraten"
Keine "Abrechnung mit Gorbatschow", sondern eine "Abrechnung mit einem System und mit dem eigenen Leben" kündigte Valentin Falin an. Von Karsten Schultheiß
HOPPSTÄDTEN-WEIERSBACH. Daß der Keim des Niedergangs der Sowjetunion aus seiner Sicht nicht in der kommunistischen Ideologie liegt, machte der 71jährige gleich deutlich: Nach bestem Wissen habe er einer Idee gedient, die ich "als gerecht empfand" und die von einem System und denjenigen verraten wurde, die es "gestalteten und nichts Gemeinsames mit dem Sozialismus" hatten. Aufschluß darüber, warum Gorbatschow, der in Deutschland wie ein Säulenheiliger verehrt werde, bei den jüngsten russischen Präsidentschaftswahlen nur 0,3 Prozent erhielt, erwartete "Schnecke"-Vorsitzender Axel Redmer von dem Vortrag. Valentin Falin enttäuschte die Erwartungen der 250 Zuhörer im vollbesetzten Kinosaal der Fachhochschule in Neubrücke nicht: An dem einstigen Generalsekretär und einzigen Präsidenten der Sowjetunion ließ er kein gutes Haar. Er schilderte ihn als Mann ohne Rückgrat und Prinzipien - und Prinzipienlosigkeit müsse zum Bankrott führen. Michail Gorbatschow sei der "größte Verräter der nationalen Interessen des Landes", das er in die Situation des 17. Jahrhunderts zurückgeworfen habe. "Absolute Macht verdirbt den Machthaber absolut", betonte der Experte, der heute in der Nähe von Hamburg lebt.
Rückkehr ein Fehler Als "großen Fehler" wertete der frühere Botschafter der UdSSR in Bonn, daß er sich von Gorbatschow-Berater Alexander Jakowlew anwerben ließ, "bei der Formulierung des Neuen politischen Denkens mitzuwirken". Dies war 1988, als er die bekannte Presseagentur "Nowosti" leitete. Zu wenig hörte Gorbatschow auf seine Berater, lautet eine der Kernthesen Falins. Das Entgegenkommen des Staats- und Parteichefs habe die kühnsten Hoffnungen von Bundeskanzler Kohl übertroffen, der sich zunächst für eine Stufen-Lösung zur Verwirklichung der deutschen Einheit aussprach. So seien die russischen Sicherheitsinteressen ohne Not auf der Strecke geblieben. Mit der Ost-Erweiterung der NATO werde das Problem der Spaltung Europas als überwunden betrachtet, dabei aber Rußland ebenso wie die Ukraine und Weißrußland ausgegrenzt. Moderater äußerte sich Falin über den russischen Präsidentin Boris Jelzin: "Ich habe nichts gegen ihn persönlich, aber ein krankes Land braucht einen gesunden Präsidenten."
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