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"Der Klaviator"
Kabarettabend mit Lars Reichow
03.06.1998, 20.00 Uhr
Idar-Oberstein, Göttenbach-Aula

Nahe-Zeitung, 09.07.1998
Der "Klaviator" jagte die Tücken des Alltags
Musikkabarettist Lars Reichow gastierte in der Göttenbach Aula - Furioses Tempo und absurder Sprachwitz kamen gut an

Auf Einladung des Kulturvereins "Die Schnecke" gastierte der Musikkabarettist Lars Reichow in der Göttenbach Aula. Gut 100 Zuschauer kamen und erlebten einen vergnüglichen Abend mit absurder Komik, aber auch nachdenklichen Zwischentönen.
Von Jörg Staiber

IDAR-OBERSTEIN. Los geht es mit einem flotten Begrüßungs-Boogie: "Das ist nur der Beginn vom Programm, hört euch das mal an." So furios wie der Start war über weite Strecken auch der Rest des Programms. Oftmals beinahe atemlos singt, spricht oder stammelt "der Klaviator" seine Texte zu rasanten Tastenläufen, manchmal zu schnell, um die vielen sprachlichen Feinheiten genießen zu können, einige Male zu gehetzt, um überhaupt etwas zu verstehen.
Aber das gehört wohl zum Konzept des Mainzer Musikkabarettisten, der in den letzten Jahren reihenweise renommierte Kleinkunstpreise eingefahren hat. Denn speziell in seinen reinen Sprechbeiträgen kommt auch immer wieder seine Fähigkeit, das Tempo dramaturgisch geschickt zu verschleppen oder die hohe Kunst der Pause an der richtigen Stelle, trefflich und treffend zum Einsatz.
Reichows Kabarett ist Lichtjahre entfernt vom traditionellen, politisch geprägten Kabarett. Sein Thema sind die Situationen, Probleme und kleinen Lügen des Alltags: der Kampf mit dem Übergewicht, die Tücken des Computers oder die Auseinandersetzung mit dem Uni-Pförtner, der eine beinahe sadistische Befriedigung darin findet, in seinem beschränkten Machtbereich den subtilen Terror der Vorschriften auszukosten.
Ein thematischer Schwerpunkt ist der kritische Blick auf das eigene Geschlecht, welcher vielfältig variiert wird, so wenn er den schwülstigen Flirt am Telefon durch eine ironisierende Klavierbegleitung kommentiert und bei jeder Lüge ein Klingeln ertönen läßt, oder wenn er den mythischen Pathos um kneipenselige Männerbündelei als reines Saufritual entlarvt.
Aber die größte Stärke Reichows ist seine Fähigkeit, banale Situationen ins Absurde zu verfremden. Grandios seine theatralisch vorgetragene Geschichte vom langsamen Sterben einer Scheibe Hühnersülze, in dem er geschickt Gefühle des Ekels mit sentimentalen Formulierungen konfrontierte. Insgesamt bot Lars Reichow dem Publikum einen unterhaltsamen und anregenden Abend, den dieses mit kräftigem Applaus belohnte.