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Nahe Zeitung vom 23.11.2004 Im Hochhaus nach der Sonne gesucht Kulturverein "Die Schnecke" stellte Augsburger Autor Georg Klein vor
In ein leer stehendes Büro- Hochhaus in einem großstädtischen Hafenviertel, abbruchreif, mit seltsamen Materialien gefüllt, führt der Augsburger Schriftsteller Georg Klein seine Leser in dem Roman "Die Sonne scheint uns", der im Juli 2004 erschienen ist.
IDAR-OBERSTEIN. Auch bei seiner Lesung in der Aula des Heinzenwies-Gymnasiums, zu der Georg Klein vom Kulturverein "Die Schnecke" eingeladen worden war, trug der 51-jährige Autor Passagen aus seiner Neuerscheinung "Die Sonne scheint uns" vor. Als "jungen Autor" bezeichnete ihn Axel Redmer, Vorsitzender der "Schnecke", in seinen Einleitungsworten. Denn erst vor sechs Jahren begann Georg Klein, Romane und Erzählungen zu veröffentlichen. Von da an allerdings geschah es in kontinuierlicher Folge und äußerst erfolgreich. "Libidissi" (1998), "Anrufung des blinden Fisches" (1999), "Barbar Rosa" (2001) und "Von den Deutschen" (2002) sind seine bisherigen Hauptwerke. Düster und bedrohlich Mysteriös, düster, bedroh lich gestaltet sich die Handlung des 218-seitigen, aktuellen Romans "Die Sonne scheint uns". Eine fünfköpfige Mannschaft soll ein Abbruch- Hochhaus erforschen. Geheimnisvoll mächtig bleibt der Auftraggeber, ungewöhnlich ist das gesuchte Objekt: eine Sonne. Kalk, Sand, Öl, Papier und Blut spielen im Geschehen eine Rolle. Die Erkundungsmannschaft erhält fremde Namen; ungeahnte Verwandt- und Freundschaftsbeziehungen werden sichtbar, ein Geflecht aus Schuld, Verantwortung und Abhängigkeiten innerhalb und außerhalb des Hochhauses lenkt die Personen. Mehrfach werden die Erzählperspektiven gewechselt, es gibt Zeitsprünge, Rückblicke, Veränderungen der Namen der Protagonisten, Doppelrollen. Erbarmungslos kalt, dunkel und unheimlich bleibt es in dem nur durch eine grüne Notbeleuchtung karg erhellten Steinturm. Und doch handeln die Personen überraschend unaufgeregt, erzählen die diversen Erzähler distanziert, geradezu sachlich, bewahrt sichder Roman bis zum Ende seine epische Ruhe und sprachliche Akribie. Parallelen zu Räumlich- und Befindlichkeiten von Meyrink oder Kafka drängen sich auf, doch im Gegensatz zu diesen lässt Klein am Ende seine Suchmannschaft zwar malträtiert und dezimiert, aber erfolgreich ans Licht der Außenwelt zurückkehren... Über eine Stunde dauerte die nachfolgende Diskussion, in der Georg Klein zu Fragen nach Schreibprozess, Literaturbetrieb und Selbstverständnis des Schriftstellers Stellung nahm. Die Kritik, er habe sich bei der Darstellung der in seinem Roman angesprochenen Nazi-Zeit zu "neutral" verhalten, wies er zurück. "Ich schreibe über die Vergangenheit und das damalige Leben der Menschen", verteidigte sich der Erfolgsautor, "mein Thema ist aber nicht die Historie." Klein wandte sich gegen überholte Literaturvorstellungen: "Literarisches Schreiben emanzipiert sich zunehmend vom zeitgeschichtlichen Bericht." Außerdem: "Jede Zeit hat ihre eigenen Schrecken. Wir können uns nicht dauernd auf die Schrecken der Vergangenheit zurückziehen." (ed)
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