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Nahe-Zeitung, 14.10.2004 Autor und zugleich versierter Rezitator Deutschlandpremiere: Helmut Krausser stellte in der Campus-Bibliothek sein neuestes Buch vor
KREIS BIRKENFELD. Deutschland-Premiere in der Bibliothek des Umwelt-Campus Birkenfeld: Der 40-jährige Münchner Schriftsteller Helmut Krausser stellte erstmals deutschen Lesern sein neuestes Buch, "Die wilden Hunde von Pompeii", vor. Zuvor las er aus seinem Roman "UC". Axel Redmer, der Vorsitzende des gastgebenden Kulturvereins "Die Schnecke", begrüßte Helmut Krausser als einen der bedeutendsten und profiliertesten deutschsprachigen Schriftsteller der jüngeren Generation. Tatsächlich belegte der so gelobte Autor mit Auszügen aus zwei seiner aktuellsten Bücher eindrucksvoll, wie sehr die Vorschusslorbeeren ihre Berechtigung hatten. Ausgehend von einem Märchen Hans Christian Andersens, in dem ein Schatten seinen Herrn verlässt und nach Jahren zurückkehrt, um seinen einstigen Besitzer zu unterwerfen und am Ende gar zu meucheln, erzählt Helmut Krausser mit großer Raffinesse die Geschichte des erfolgreichen Dirigenten Arndt Hermannstein, der mit dem zwei Jahrzehnte zurückliegenden Mord an einer ehemaligen Mitschülerin konfrontiert wird, und für den plötzlich nichts mehr zueinander passt. Ereignisse und Erinnerungen verdoppeln sich, Parallelwelten berühren einander, Vexierspiele mit trübem Hintergrund beginnen. Arndt Hermannstein wird schließlich von einem esoterischen Schriftsteller und Guru um Frau, Freundin, Haus und Urheberrechte an seiner Musik gebracht und endet wie sein literarischer Vorgänger in Andersens Märchen. Helmut Krausser liest Text nicht einfach mehr oder weniger routiniert seinem Publikum vor. Er trägt ihn vielmehr mit feinem Gespür für Dramaturgie gekonnt wie ein versierter Rezitator vor, so dass selbst nach einer Stunde die Zuhörer noch immer konzentriert und gebannt folgen. Ist "UC" - ein Kürzel für Ultrachronos, die letzte Erinnerungsphase vor dem Tod - nahezu ein Thriller, muss Helmut Kraussers zweiter Text "Die wilden Hunde von Pompeii" eher als modernes Tiermärchen verstanden werden. Amüsant, aber nicht der "große Wurf", wie Literaturkritiker im vergangenen Jahr "UC" nannten. Im "dritten Teil" des Leseabends plauderte Helmut Krausser sichtlich entspannt beim geliebten Rotwein mit seinen Zuhörern über den Literaturbetrieb, sein "Unverständnis" zum Kritikerpapst Reich-Ranicki, den er in einem seiner Bücher karikiert und seitdem dauerhaft verprellt hat, und über den Umstand, dass er in "UC" gleich reihenweise seine früheren Mitschülerinnen und Mitschüler mit Klarnamen verarbeitet hat und das für ihn überraschende Ergebnis, dass sich bis heute noch keiner der davon Betroffenen bei dem Autor gemeldet habe.
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