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Nahe-Zeitung, 14.06.2004 Einen Wehner würde keiner mehr wählen Martin Rupps diskutierte im kleinen "Schnecke"-Kreis über sein Buch "Troika wider Willen"
BIRKENFELD. Als Siebenjähriger erlebte er Brandts Rücktritt. Erst Jahre später - gesteht Martin Rupps den knapp 20 Zuhörern seiner Lesung im Saal des Birkenfelder Schlosses - wusste er zu deuten, was damals im Gesicht der Mutter vorging. Brandt, Schmidt, Wehner... - das einmalige Zusammenspiel von drei Personen über Jahrzehnte an der Spitze des Staates ist nach eigenen Worten für den gebürtigen Stuttgarter "eine Art geistiges Lebensthema". In seinem Buch "Troika wider Willen", das Rupps jetzt in einer "Schnecke"-Veranstaltung vorstellte, beleuchtet der studierte Politik- und Geschichtswissenschaftler, der seit 1998 als persönlicher Referent des SWR- Intendanten Peter Voss arbeitet, dieses erfolgreichste Personenbündnis der Bundesrepublik.
Geraffter Lebensweg Biografisches vorab: Gerafft streift der Autor die von Irrtümern und Richtungswechseln geprägte Lebensgeschichte des jungen Wehner. Wie auch Helmut Schmidt versucht dieser, ein persönliches Verhältnis zu Willy Brandt zu erreichen. Doch der - kaum weniger verschlossen - nimmt diese Geste der Freundschaft nicht an: "Später wird es heißen, politische Gründe waren schuld", kommt Rupps rasch zu historisch bedeutsamen Daten: Die Bundestagswahl im September '98 wertet er als "tiefen Einschnitt" - Brandt entlässt seinen Ziehvater und Zuchtmeister Wehner. Der Euphorie der "Willy-Wahl" 1973 folgt im Jahr darauf Wehners Moskau-Reise: Dort macht er seinem Ärger Luft. Nach der Entlarvung des Brandt-Vertrauten Guillaume stellt Wehner einen geschwächten Bundeskanzler vor ein Ultimatum, statt ihn mit Zuspruch aufzumuntern. An die Macht gekommen, verabreicht Helmut Schmidt zunächst "saure Kost gegen Katerstimmung", dann beginnt die nach Rupps` Meinung entspannteste Phase der Troika: Brandt ordnet Ende der 80er Jahre sein Privatleben neu, gönnerhaft lässt Wehner ihn gewähren und nimmt gleichzeitig Schmidt kämpferisch in die Pflicht.
"Die deutsche Kanzlerfigur" Hätte der grantig-kantige Wehner heute noch als Politiker eine Chance? Veranlasste die Friedensbewegung oder Lambsdorffs Wirtschaftspolitik anno 1982 die FDP zum Wechsel des Koalitionspartners? Wie kam der Autor in Anbetracht der als eigenwillig bekannten Erbverwalter an die historischen Quellen? Fragen aus der Diskussion, die kaum weniger fesselnd war als die zuvor vorgetragenen Ausschnitte des Buches. Am Ende wagte der Troika- Experte sogar eine vorsichtige Gewichtung der politischen Lebensleistung seiner drei Protagonisten: Brandt werde wohl als "die deutsche Kanzlerfigur" in die Annalen eingehen, Helmut Schmidt dort kaum mehr als eine Fußnote sein, Wehner ("Niemand würde einen Wehner wählen, aber nützlich wäre es auch heute.") gar nicht vertreten. Klaus-Peter Müller
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