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Glaube und Heimat, 27. Februar 1983 Dunkle Nacht und neuer Tag
Johannes Harder berichtet über Nazizeit und Widerstand
Erfreuliche Resonanz fand ein Vortrag, den der eben 80 Jahre alt gewordene, aber ausgesprochen jugendlich wirkende Professor Johannes Harder (Schlüchtern) im Martin-Luther-Haus in Idar hielt. Zur Vorgeschichte des deutschen Faschismus zählt Harder den Nationalsozialismus, der am „deutschen Wesen“ die Welt genesen lassen wollte, den Kadavergehorsam („Gefangene werden nicht gemacht“) und das Freund-Feind-Denken, das nach 1918 in Deutschland propagiert wurde. In der Nazipartei hatten sich Kleinbürger zusammengefunden, die das Ressentiment zusammenhielt. Desperados, Fanatiker und Karrieristen kamen hinzu. Hitlers Versprechen, Europa vor dem „gottlosen“ Bolschewismus zu retten, machte bei vielen Eindruck. In seiner Ersatz-„Bibel“, „Mein Kampf“, hatte Hitler Jahre vor seinem Machtantritt die Vernichtung des „Untermenschentums“ gefordert. Bezeichnend für die Nazipropaganda ist die Gleichsetzung von Juden und Kommunisten, die beide in gleicher Weise zu Feinden erklärt wurden. Eine Missionierung des deutschen Volkes im Sinne der Naziparolen wurde 1933 begonnen. Mit Unterstützung der am Anfang noch vorhandenen Rechtsparteien und der Bourgeoisie gingen die Nazis ans Werk. Mit der Verbreitung von Angst durch den Terror der Gestapo verband sich (sozusagen „positiv“) die Reklame für eine kitschige „Kunst“. Auch die Kirche hatte „Saison“: SA-Männer füllten die Kirchen, zahlreiche Ehepaare ließen sich „nachtrauen“. In diese Nacht fiel der Lichtstrahl ersten Widerstands. Es waren – im Parallelen zu heute, meint Johannes Harder – die Reformierten, die sich, angeleitet von Karl Barth, der Reichskirche verweigerten und Christus gegen die angebliche „Eigengesetzlichkeit“ zur Geltung brachten. Der Höhepunkt solchen Widerstands war das Barmer Bekenntnis von 1934, das bekundete, es gebe keine Bereiche, die der Herrschaft Christi entzogen werden dürfen. Harder erinnert sich, dass damals in Barmen auch der „göttliche Humor“ eine erfreuliche Rolle gespielt habe. Als Fehler des Kirchenkampfes sieht Harder es an, dass man sich auf die Verteidigung von Institutionen beschränkt habe, statt politisch in die Offensive zu gehen. Versteht man Demokratie als Prozess, nicht als erreichten Zustand („freiheitlich-demokratische Grundordnung“), so muss die Kirche auch heute ein gesellschaftlich vorwärtstreibendes Element sein und so die Lehren aus der Nazizeit ziehen. In einer eingehenden Aussprache gingen die vielfach jugendlichen Diskussionsteilnehmer auf Harders sehr lebhaft vorgetragene Ausführungen ein. Die Beunruhigung wegen der Gefährdung des Weltfriedens wurde dabei ebenso angesprochen wie die Sorge darum, ob die Kirchen sich genügend für die Geltung der Bergpredigt im öffentlichen Leben einsetzen Arnold Pfeiffer
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