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Nahe-Zeitung, 05.03.1986 "Kritische Sympathie" für Nicaragua gefordert Vorwürfe gegen die SPD bei Informationsabend der "Schnecke"
-jok- Der Kulturverein "Die Schnecke" hatte eingeladen. Zum zweiten Mal Innerhalb von zwei Jahren war Nicaragua das Thema eines Informationsabends. Nach Henning Schert (SPD) sollte dieses Mal mit Jose Ruiz ein Mann referieren, der den mittelamerikanischen Staat von innen kennt.
Ruiz ist gebürtiger Spanier, seit 1968 deutscher Staatsbürger. An der FH Bielefeld lehrt er Politikwissenschaft. Seit 1084 lebt er mit kurzen Unterbrechungen in Nicaragua, seit 1985 ist er Mitherausgeber von "El nuevo diario" (Die neue Zeit), neben "La Prensa" (eine bürgerliche Oppositionszeitung) und "Barricada" (Regierungszeitung) eine der drei größten Zeitungen des Landes. Seine Zeitung, so meint Ruiz begleitet die nicaraguanische Revolution mit "kritischer Sympathie". 40 Leute waren zu diesem Informationsabend gekommen. In einem einstündigen Vortrag berichtete Jose Ruiz über die Situation der Menschenrechte, speziell der Kirche in Nicaragua. Die Revolution im Jahre 1979 ist nach Meinung von Ruiz nicht zuletzt eine Revolution für die Menschenrechte gewesen. Unter Somoza seien politische Morde, Folter an der Tagesordnung gewesen. Daher sei die Revolution von den Christen des Landes mitgetragen worden. Die offizielle Kirche sei allerdings von Beginn an gegen die Sandinisten gewesen. Von der Kanzel predigten sie häufig für die Contras, deren Menschenrechtsverletzungen von Amnesty International wesentlich höher eingestuft werden, als Übertretungen durch die Regierung. Die "Verfolgung der Kirche" in Nicaragua sei in Wahrheit eine Verfolgung regierungsfreundlicher Priester durch die Bischöfe. Der SPD, deren Vertreter den Sandinisten anfangs positiv gegenüberstanden, die sich nun aber mehr und mehr kritisch äußerten, warf Ruiz eine opportunistische Haltung vor. Die SPD wolle, angesichts der bevorstehenden Wahlen, wohl wieder "salonfähig" werden. lm Anschluß an den Vortrag entspann sich eine teilweise sehr kontroverse Diskussion, in der die Mehrheit der Besucher zwar Sympathie für die. Sandinisten bekundete, aber auf ein Recht zur Kritik bestand.
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