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"Weckerleuchten"
Konzert mit Konstantin Wecker
05.05.1988, 20.00 Uhr
Idar-Oberstein, Festhalle


Nahe-Zeitung, 07.05.1988
Die neuen Talente des Musik-Weckers
Kulturwochen-Auftakt: Abend voller Zugaben beim Gastspiel des Münchners vor tausend Besuchern

IDAR-OBERSTEIN. In der, Garderobe hängt ein Föhn über dem Wandspiegel. Heiße Luft wird in einen massigen Sack geblasen. Über diesen Sack ist ein hellblaues Hemd gespannt das wenige Minuten zuvor noch klatschnaß am Oberkörper von Konstantin Wecker klebte. Wenn der Münchner Sänger seine Finger in die Flügel-Tasten haut, dann fließt der Schweiß in Strömen.

Der improvisierte Wäschetrockner kommt schon in der Pause zum Einsatz. Eigentlich müßte er öfter als zweimal am Abend angeworfen werden, denn Konstantin Wecker pflegt auch als Anfang-Vierziger noch mit unbändiger Energie und Kraft auf der Bühne zu agieren. Schon nach dem zweiten Stück umgibt ihn eine Wolke aus Schweißperlchen. Das Handtuch wird nach Flügel, Textbuch und Noten - neben der Weinflasche, aus der in unregelmäßigen
Abständen verlorene Flüssigkeit in den Körper nachgefüllt wird, zum wichtigsten Requisit des Künstlers während des zweieinhalbstündigen Konzerts.

Der Kulturverein "Die Schnecke" veranstaltet in Zusammenarbeit mit der Stadt das Wecker-Konzert als Auftakt der Kulturwochen. Für "Schnecke"-Mitglieder und städtische Bedienstete ist neben Kunstgenuß harte Arbeit angesagt, Zwei Lastwagen mit technischer Ausrüstung müssen in den ersten Stock der Festhalle gebracht werden. Als die meterhohen Boxen am Abend auf der Bühne stehen, ist ein Gesamtgewicht von 10 Tonnen bewegt worden. Und das muß nach dem Konzert auch wieder abgebaut werden.

Und das alles für eine one-man-show. Aber es lohnt sich. Trotz der bekannt schwachen Akustik in der Festhalle bekomm n rund 1000 Besucher in der Festhalle mit, wie ein Mann am Flügel allein einen ganzen Saal vibrieren läßt Auch im übertragenen Sinne. Der Funke springt schon bei den ersten Takten über.
Das Publikum sei immer erst gegen Ende seiner Konzerte voll dabei meint Wecker
schmunzelnd. Deshalb solle man sich einen starken ersten Teil denken, einen noch besseren zweiten und er beginne dann gleich mit den Zugaben. Es bleibt nicht bei diesem ersten Anflug von Selbstironie. Der Konstantin Wecker 1988 überrascht vor allem durch eins: durch brillanten Witz.

Wächst mit zunehmendem Alter der Humor? Bei mir auf jeden Fall. Die Wut ist noch da, aber ich gehe damit anders um als mit 20." Humor habe er auch früher gehabt aber es stimme: Das kam im Programm nicht so durch." Ganz besonders in einer Beziehung sei er heute aber auch humorvoller als früher: Vor allem mich nehme ich nicht mehr so ernst."

Wecker nennt auch gleich ein Beispiel: .Vor Jahren hätte ich mich nicht getraut in der 'Lämmergeier-Nummer` den Macho rauszuhängen. Es hätte mir was ausgemacht wenn die Leute gesagt hätten, er ist ja doch einer..." Heute mache ihm das nichts mehr aus: Das kommt auch durch eine größere Selbstsicherheit" Die Erfolge haben ihn noch stärker gemacht Obwohl er doch schon immer über grenzenlose Kraft zu verfügen schien.

Der Musiker Konstantin Wecker ist der alte geblieben, nur reifer und noch ein bißchen besser. Seine Klassiker wie Genug ist nicht genug" spielt er mit der gleichen Leidenschaft wie früher, aber technisch verfeinert. Der exzellente Pianist spielt ebenso virtuos auf den Tasten wie mit dem Publikum. Es geht ihm zwar nur bei wenigen Liedern nach eigener Aussage in erster Linie darum, verstanden zu werden ("Ich schreibe zuerst mal für mich"), aber wenn, dann bestimmt er auch behutsam den Rhythmus im Saal. Es gefällt mir, wenn die Leute mitklatschen. Aber bei den ´Jagdzeiten in Bayern´ zum Beispiel ist der Rhythmus im Refrain so eingängig, daß so laut mitgemacht wird, daß man den Text nicht mehr versteht. Und weil das mir in dem Stück so wichtig ist, spiele ich den Refrain jetzt "en piano statt forte." Und wenn dann immer noch an den falschen Stellen mitgeklatscht wird, wechsle ich einfach den Rhythmus."

Neu ist der Wort-Wecker!' Das Programm in der FesthaIle faszinierte ganz besonders im reinen Text-Teil bei drei fast je eine Viertelstunde dauernden Sprechstücken. Der Witz sprüht nur so aus den Zeilen, in denen oft die politische Gegenwart im so sehr geliebten München und in ganz Bayern

karikiert und kritisiert wird. Zahmer ist Konstantin Wecker nicht geworden.

Klare politische Aussagen verkommen nicht zu Parolen, er liefert ein Stück bestes Kabarett ab. Die Geschichte des in die Midlife-crisis kommenden Apo-Veterans, der heute, reich und satt geworden, am Strand plötzlich zur Klampfe alte Dylan-Lieder anstimmt wird neben dem Lämmergeier" zur Glanznummer.

Geht es jetzt überhaupt mehr in Richtung Schriftstellerei? Ich glaub' schon", läßt Wecker hoffen. Denn der "Musik-Wecker" ist schon toll, aber als reiner Texter hat der Münchner wohl noch reichlich nachzuschieben. 

Bernd Paetz